Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 5. Februar 2020. Von ANITA HEUBACHER. „Die Grenzen der Harmonie“.

Innsbruck (OTS) – Auch nach der Fusionierung der Krankenkassen gibt es Gleiche und Gleichere. Es hat sich ausharmonisiert, wenn es darum geht, dass alle Patienten unabhängig von ihrem Berufsstand im Gesundheitssystem gleich behandelt werden.

Seit 1. Jänner ist die größte Reform aller Zeiten, wie sie von Türkis-Blau so oft tituliert wurde, in Kraft. Die, die die Fusion der Sozialversicherungsträger initiiert haben, freuen sich seither vor allem darüber, dass Patienten von der Reform nichts mitbekommen hätten. Ein Paradoxon, wollte man doch glauben, dass reformiert würde, um des Patienten Wohl zu steigern.
Auch nach der Fusion der Sozialversicherungen von 21 auf fünf Träger war klar, dass Patient in Österreich nicht gleich Patient ist. Dass aber die neue Führung daran so gar nichts ändern will und das auch noch unverblümt zu Protokoll gibt, hat die Ärztekammer und die Opposition umgehauen. Man muss sich das so vorstellen: Im Dachverband der Sozialversicherung ist der allergrößte Player die Österreichische Gesundheitskasse, die Kasse der Masse, die Kasse der Arbeiter und Angestellten. Sie hat die neun Gebietskrankenkassen aufgesogen und hat mit strukturellen Defiziten zu kämpfen. Die weitaus kleineren Kassen sind die der Selbstständigen und Bauern und die der Beamten und Eisenbahner. Chef des Dachverbandes ist nun aber nicht ein Vertreter der größten Kasse, sondern der der Selbstständigen. Und jetzt raten Sie mal, worauf der neue Chef schaut?
Solidarität im Gesundheitssystem wird in Österreich den Arbeitnehmern abverlangt. Ihre Krankenkasse zahlt für Arbeitslose, Mindestsicherungsempfänger oder Studenten, wenn sie krank werden. Die kleinen Kassen kommen nicht zum Handkuss. In die Kasse der Masse zahlen zwar viele ein, aber der Anteil der niedrigen Einkommen ist hoch. Das Risiko, krank zu werden, ist für einen Arbeiter tendenziell höher als für einen Beamten.
Aufgrund dieser strukturellen Defizite forderten Gesundheitsökonomen und die alte Führung im Hauptverband der Sozialversicherungsträger gegenseitige Ausgleichszahlungen der Kassen. Berücksichtigt werden sollte durch diese Methode auch, dass Selbstständige und Beamte höhere Beiträge zahlen und Selbstbehalte haben. Solidarität würde dadurch auch den anderen Berufsgruppen abverlangt. Davon ist jetzt keine Rede mehr, weil sich die Machtverhältnisse zugunsten der Unternehmer verschoben haben.
Ohne die Solidarität unter den Kassen gibt es aber keine Harmonisierung der Leistungen, die den Wählern versprochen wurde. Ob Sie eine Zahnkrone bezahlt bekommen oder nicht, ist weiterhin davon abhängig, welchen Job Sie haben.

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