Artikel über „Blut-Krimi“ um Jörg Haider verletzt Ehrenkodex

Wien (OTS) – Nach Meinung des Senats 2 verstößt der Artikel „Geheim-Gutachten zu Blut-Krimi um Haider“, veröffentlicht am 13.07.2019 auf „oe24.at“, gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten).

Im Artikel wird von einem Geheim-Gutachten zum „Blut-Krimi“ um den verstorbenen Politiker Jörg Haider berichtet. So hätten die Blut- und Gewebeproben nach Haiders Tod zumindest zehn Jahre lang aufbewahrt werden müssen. Dazu wird aus einem Gutachten einer Gerichtsmedizinerin aus Graz, die damals die Obduktion an Haiders Leiche durchgeführt habe, zitiert: „Die bei uns sichergestellten Asservate werden 10 Jahre lang aufbewahrt und dann […] entsorgt.“ Als 2018 jedoch von der Witwe des Politikers bei der Staatsanwaltschaft in Klagenfurt die Artefakte ihres Mannes angefordert worden seien, habe es geheißen, die Proben wären vernichtet worden. Sodann wird der Obmann des BZÖ Kärnten zitiert, für den das „Vernichten der Blutproben“ ein Skandal und ein weiterer Mosaikstein in dem kuriosen Bild sei, das die Behörden abgeben würden. Am Ende des Artikels ist die zitierte Passage des Gutachtens der Gerichtsmedizinerin abgedruckt.

Ein Leser kritisiert, dass es nicht stimme, dass Blut- und Gewebeproben zumindest zehn Jahre lang aufbewahrt werden müssen. Er übermittelte einen auf „krone.at“ veröffentlichten Artikel, in dem ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Klagenfurt damit zitiert wird, dass es keine zehnjährige Aufbewahrungsfrist für Blutproben gebe. Nach Ansicht des Lesers sei die auf „oe24.at“ zitierte Ärztin in ihrem Gutachten offensichtlich falsch verstanden worden. Die Medieninhaberin nahm nicht am Verfahren teil.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Klagenfurt führte gegenüber dem Presserat aus, dass die Entnahme von Körperflüssigkeiten zur Obduktion gehöre. Nach deren Durchführung verfüge die Staatsanwaltschaft über die Freigabe der Leiche, wovon auch Blutproben umfasst seien. Sollte eine weitere Aufbewahrung gewünscht sein, müsste dies gesondert beantragt werden. Da dies im konkreten Fall nicht erfolgt sei, habe die staatsanwaltliche Sicherstellung 2008 geendet.

Der Senat betont, dass gleich zu Beginn des Artikels eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist für die Blutproben ausdrücklich behauptet wird. Nach Meinung des Senats stützt sich diese Behauptung im Wesentlichen auf das Dokument einer Gerichtsmedizinerin, das im Artikel als Gutachten bezeichnet wird. Allerdings wird in der am Ende des Artikels veröffentlichten Passage des Dokuments lediglich festgehalten, dass sichergestellte „Asservate“ zehn Jahre lang aufbewahrt würden. Ob mit dem Begriff „Asservate“ die Blutproben Jörg Haiders gemeint sind, geht daraus nicht hervor.

Nach Auffassung des Senats erweckt der Artikel den Eindruck, dass für diese angebliche zehnjährige Aufbewahrungsfrist die Staatsanwaltschaft Klagenfurt verantwortlich gewesen wäre. Dies wird den Lesern auf verschiedene Art und Weise suggeriert; durch den Artikel wird der Eindruck einer nicht ordnungsgemäßen Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft vermittelt. Der Senat sieht keinen Grund, die Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft in Zweifel zu ziehen, wonach die staatsanwaltliche Sicherstellung 2008 geendet hat. Zwar bestehen für den Senat auch keine Zweifel daran, dass der Abschnitt des Dokuments korrekt abgedruckt und der BZÖ-Landesparteiobmann richtig zitiert wurde. Die gewissenhafte und korrekte Wiedergabe von Nachrichten im Sinne von Punkt 2 des Ehrenkodex schließt jedoch mit ein, Quellen und Behauptungen ausreichend aufzuarbeiten und Informationen im erforderlichen Kontext wiederzugeben, so der Senat.

Verantwortungsvolle Journalisten überprüfen eine Behauptung, wonach die Staatsanwaltschaft keine saubere Arbeit leiste. Hinzu kommt, dass in der veröffentlichten Passage des Gutachtens die Staatsanwaltschaft Klagenfurt an keiner Stelle erwähnt wird. Nach Ansicht des Senats wäre es dem Medium zumutbar gewesen, von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eine Stellungnahme einzuholen und diese im Artikel anzuführen. Im Ergebnis hat die Redaktion von „oe24.at“ die übernommenen Behauptungen nicht hinterfragt bzw. die suggerierte Verantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft Klagenfurt nicht ausreichend belegt. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass rund um den Unfalltod Jörg Haiders mehrere Verschwörungstheorien entstanden sind, die nach wie vor kursieren. Vor diesem Hintergrund wäre es umso mehr erforderlich gewesen, die Behauptungen gewissenhaft zu überprüfen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.

Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830

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