Weitere 60.000 Tonnen Diesel werden aus der Pflichtnotstandsreserve freigegeben

Weitere 60.000 Tonnen Diesel werden aus der Pflichtnotstandsreserve freigegeben

Hauptausschuss genehmigt Verordnung der Energieministerin

Nachdem nach einem Zwischenfall in der OMV-Raffinerie Schwechat bereits im Juni und im Juli Erdöl aus den Reserven freigegeben wurde, hält Energieministerin Leonore Gewessler nun eine weitere Maßnahme für notwendig. Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS – und damit der notwendigen Zweidrittelmehrheit – genehmigte der Hauptausschuss heute eine Verordnung, mit der 60.000 Tonnen Diesel aus den Pflichtnotstandsreserven für den Markt freigegeben werden. Laut Begründung soll damit kurzfristig die Versorgung des heimischen Marktes mit Erdöl gesichert werden, bis die OMV die Raffinerie in der ersten Oktoberhälfte wieder in Betrieb nehmen kann. Die ursprünglich geplante Wiederinbetriebnahme mit Ende September kann die OMV nicht einhalten.

Vizekanzler Werner Kogler, der die Energieministerin im Ausschuss vertrat, betonte, dass eine Vielzahl von Ereignissen aktuell das Angebot an Diesel verenge. Es gebe neben dem Ausfall der Anlage in der Raffinerie Schwechat auch gravierende Engpässe beim Transport von Treibstoffen.

PFLICHTNOTSTANDSRESERVE WIRD UM 2,4 TAGE VERRINGERT

Mit der Energie-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung Erdöl (188/HA) wird die Erdöl-Lagergesellschaft angewiesen, dem inländischen Markt binnen drei Wochen 60.000 Tonnen Diesel freizugeben. Die Pflichtnotstandsreserve, die Österreich als EU-Mitglied verpflichtend im Ausmaß der durchschnittlichen Importmenge von 90 Tagen halten muss, wird damit um weitere 2,4 Tage reduziert. Laut Auskunft einer Expertin aus dem Klimaschutzministerium sind damit noch 65,1 Tage Reserve übrig. Aufgeteilt werden die freigegebenen Mengen nach einem objektiven Verteilungsschlüssel. Das Erdöl darf nur in Österreich abgegeben und bezogen werden.

Die Versorgungssituation am österreichischen Mineralölmarkt habe sich seit Anfang September sukzessive weiter verschlechtert, heißt es in der Begründung der Verordnung. Der niedrige Wasserstand des Rheins und die damit erschwerte Transportlogistik habe dazu ebenso beigetragen wie Ausfälle bei Bahntransporten. Die im Juli beschlossene Freigabe von Pflichtnotstandsreserven, die wesentlich zur Entlastung des Marktes beigetragen habe, endete zudem am 15. September. Es sei laut Erläuterungen davon auszugehen, dass es ab der letzten Septemberwoche zu Versorgungsausfällen bei Diesel kommen werde. Eine Entspannung der Situation sei erst zu erwarten, wenn die Raffinerie Schwechat wieder die volle Produktion aufnehmen könne.

Lukas Hammer (Grüne) bezeichnete die Maßnahme als notwendig, da sonst eine Knappheit von Diesel und damit Versorgungsausfälle und Preissteigerungen drohen würden. Die Energieministerin sei von der Mineralölwirtschaft mit einem Schreiben kontaktiert worden, in dem dargelegt wurde, dass es mit Auslaufen der vorigen Verordnung zur Freigabe von Pflichtnotstandsreserven mit 15. September zu einer Lücke kommen werde. Ihm sei bewusst, dass ein energiepolitisch schwieriger Winter bevorstehe und man die Reserven dafür brauche. Er zeigte sich aber optimistisch, dass die OMV, wenn sie ab Mitte Oktober wieder voll produzieren kann, die Reserven rasch wieder auffüllen wird.

Georg Strasser (ÖVP) äußerte sich ebenso zustimmend und wies auf die Dringlichkeit der Maßnahme hin. Er berichtete von Telefonaten mit Treibstoffhändler:innen, die bestätigten, dass es voraussichtlich bis Mitte Oktober ein Mengenproblem bei Diesel in Österreich geben werde. An ihn sei die dringende Bitte herangetragen worden, die Freigabe der Dieselmengen schnell zu beschließen und damit die Versorgung in den nächsten drei Wochen zu gewährleisten. Die Maßnahme werde zu einer Entspannung am Markt beitragen und sich damit direkt an den Tankstellen für die Österreicher:innen auswirken.

OPPOSITION VERMISST TRANSPARENZ

Scharfe Kritik an der Verordnung kam von der Opposition. Von der FPÖ äußerte sich etwa Axel Kassegger gänzlich ablehnend. Er habe den Eindruck, dass weder die Europäische Kommission noch die österreichische Bundesregierung die Energieversorgung im Griff haben. Für ihn seien 90 Tage Pflichtnotstandsreserve zu wenig. Man müsse mit Blick auf den bevorstehenden Winter eher darüber diskutieren, sie zu erhöhen, statt sie anzuzapfen. “Das Eichhörnchen frisst jetzt schon die Vorräte für den Winter auf”, sagte Kassegger. Er kritisierte wie seine Fraktionskollegin Dagmar Belakowitsch die fehlende Kommunikation und Transparenz.

Belakowitsch (FPÖ) wollte unter anderem wissen, wie der Stand der Pflichtnotstandsreserve aktuell ist und wie die Pläne für die Wiederbefüllung nach den vergangenen Freigaben aussehen. Eine Expertin aus dem Klimaschutzministerium erläuterte, dass nach der aktuell diskutierten Freigabe noch Reserven im Ausmaß von 65,1 Tagen bestehen werden. Die im Sommer freigegebenen 45.000 Tonnen Halbfabrikate müssen spätestens bis Jahresende und die 100.000 Tonnen Diesel spätestens bis Ende März 2023 wieder in die Reserven eingespeichert werden.

Alois Schroll (SPÖ) sah die CO2-Bepreisung, die ab 1. Oktober die Treibstoffpreise mit acht bis zehn Cent pro Liter erhöhen wird, mitverantwortlich für die nun notwendige Maßnahme. Im Energielenkungsbeirat diese Woche habe ein Experte bestätigt, dass die Notstandsreserve nicht angezapft werden müsste, wenn die CO2-Bepreisung nicht in Kraft treten würde. Denn man befürchte dadurch “Hamsterkäufe” in den letzten Septembertagen, die zu der Knappheit führen würden. Zu solchen “Vorzieheffekten” von zwei bis drei Tagen werde es wahrscheinlich kommen, sagte Vizekanzler Werner Kogler. Die Verordnung gelte aber für drei Wochen. Er rechne nicht damit, dass “die Konsumentinnen und Konsumenten Anfang Oktober absichtlich den Tank leer fahren”. Deshalb werde sich die Nachfrage nach Diesel danach wieder ausgleichen. Drei Wochen seien für Kogler ein angemessener Zeitraum, um von einer Glättung auszugehen.

Schroll betonte, seine Fraktion sei sich ihrer Verantwortung bewusst. Er kritisierte jedoch scharf die fehlende Transparenz. Es könne nicht sein, dass nach Auslaufen der vorigen Verordnung mit Mitte September erst einige Tage danach reagiert werde und jene Fraktionen, die für das Zustandekommen einer Zweidrittelmehrheit notwendig seien, nicht kontaktiert würden. Er äußerte zudem die Bitte, das angesprochene Schreiben der Mineralölwirtschaft an die Energieministern ebenfalls zu erhalten, was der Vizekanzler ihm und den übrigen Oppositionsparteien zusagte. Auch Melanie Erasim (SPÖ) stellte die Frage in den Raum, ob der Engpass ab Mitte September nicht absehbar gewesen sei.

Karin Doppelbauer (NEOS) zeigte sich ebenso verärgert über die fehlende Transparenz. Weil wichtige Fragen nach wie vor unbeantwortet seien, sei es schwierig, basierend auf Fakten eine Entscheidung zu treffen. Sie forderte etwa Informationen darüber ein, wieviel Rohöl laut Berechnungen im Winter benötigt werde und wie sichergestellt werde, dass diese Mengen eingelagert werden. Dass die Reparaturarbeiten in der Raffinerie Schwechat mit Mitte Oktober abgeschlossen sein sollen, bezeichnete sie als positiv. Weil das Hochfahren der hochkomplexen Anlage aber auch Zeit in Anspruch nehme, wollte Doppelbauer wissen, ab wann wieder die vollen Mengen produziert werden können.

Werner Kogler kündigte als Reaktion auf die Vorwürfe der fehlenden Transparenz an, dass vor dem nächsten Wirtschaftsausschuss am 5. Oktober die Energieministerin und andere Expert:innen zu einer Aussprache mit allen Parlamentsfraktionen bereit seien. Georg Strasser (ÖVP) begrüßte dies. Auch er sehe die Notwendigkeit für mehr Transparenz. Für Axel Kassegger (FPÖ) jedoch ist dieser Zeitpunkt zu spät. (Schluss Hauptausschuss) kar

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