Ukraine-Krieg: Schallenberg sieht aktuell kaum Chance auf Frieden

Ukraine-Krieg: Schallenberg sieht aktuell kaum Chance auf Frieden

Außenminister verurteilt im Außenpolitischen Ausschuss russischen Angriffskrieg, will aber Dialog mit Moskau offenhalten

Angesichts der fortwährenden russischen Aggression, gerade auf zivile Infrastruktur der Ukraine, betonte Außenminister Alexander Schallenberg heute im Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats, momentan seien keine Friedensverhandlungen möglich. Dennoch hält er einen Ausschluss Russlands von internationalen Treffen für falsch. Für die Zeit nach dem Krieg brauche Europa ein Russland, mit dem man in Dialog im Sinne der gemeinsamen Sicherheit treten könne, so Schallenberg. Weitere zentrale Themen der Aussprache mit den Ausschussmitgliedern waren das Vorgehen des iranischen Regimes gegen Kritiker:innen, der Stand der EU-Erweiterung am Westbalkan in Bosnien und Herzegowina sowie die geopolitische Rolle der Türkei, nicht zuletzt hinsichtlich Migrationsbewegungen. Grundsätzlich hielt der Außenminister zur Migration fest, Österreich sei EU-weit das Land mit der “größten pro-Kopf-Asylbelastung”. Vor diesem Hintergrund argumentierte er seinen Widerstand gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien.

UKRAINE: KEIN KONSENS ÜBER FRIEDENSGESPRÄCHE

Ausschussobfrau Pamela Rendi-Wagner hatte für die SPÖ ihr Bekenntnis zu verstärkten Bemühungen für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine abgelegt, schon um der ukrainischen Bevölkerung einen “furchtbaren Winter” ohne Energieversorgung zu ersparen. Seitens der FPÖ trat Axel Kassegger für einen Dialog mit Moskau ein, wobei der Freiheitliche unterstrich, Sanktionen oder deren Ausweitung bildeten keine Grundlage dafür. Die NEOS befürworten zwar grundsätzlich Friedensgespräche, ihr außenpolitischer Sprecher Helmut Brandstätter meinte allerdings, derzeit würde Russland eine Waffenniederlegung nur zur neuerlichen Aufrüstung nutzen. Russische Medien verbreiteten Aussagen wie “die Ukraine muss ausgelöscht werden” und Mitglieder des russischen Regimes würden internationale Auftritte lediglich zur eigenen Propaganda nützen, gab Brandstetter zu bedenken, der daher eine Sicherheitsgarantie für die Ukraine als Gesprächsbasis forderte. Außenminister Schallenberg räumte ein, nach derzeitigem Stand werde sich der Krieg “wohl lange bis 2023 ziehen”. Daher sei alles zu unternehmen, um “menschliches Leid” zu verhindern, neben Hilfslieferungen an die Ukraine eben auch durch Versuche, mit Russland ins Gespräch zu kommen, wiewohl es dazu keinen Konsens innerhalb der EU gebe. Die Ausladung Russlands vom Ministerrat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im polnischen Łódź vergangene Woche hält er für einen Fehler. Ungeachtet dessen beteilige sich Österreich intensiv an den Arbeiten zur Aufklärung von Kriegsverbrechen, so Schallenberg.

IRAN: SANKTIONEN SOLLEN AUSGEWEITET WERDEN

Die frühere Zurückhaltung Österreichs bei Verurteilungen des Irans argumentierte Außenminister Schallenberg mit den Verhandlungen zur Neuauflage des Wiener Atomabkommens mit Teheran, das er heute allerdings mit Bedauern als wahrscheinlich gescheitert erklärte. Mit Hinweis auf die gewalttätige Unterdrückung der Proteste seit dem Tod einer Iranerin in Polizeigewahrsam Mitte September und die Lieferung von Kriegsdrohnen des Iran an Russland trat Schallenberg somit für eine Ausweitung der Sanktionen gegen iranische Machthaber ein. Die EU könne so ihre Wirtschaftsmacht nutzen, um Menschenrechtsverletzungen wie der Vollstreckung von Todesurteilen entgegenzutreten. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) hinterfragte in diesem Zusammenhang die vom iranischen Regime verkündete Neuorganisation ihrer Sittenpolizei und warnte, die Ankündigung könnte ohne konkrete Schritte nur zum Machterhalt dienen. Wie Martin Engelberg (ÖVP) berichtete Ernst-Dziedzic überdies von Sorgen der heimischen Exil-Iraner:innen, durch Botschaftsangehörige aus ihrem Heimatland überwacht zu werden. Zur letzteren Befürchtung meinte Schallenberg, bei einem Bruch diplomatischer Konventionen in Österreich würden umgehend klare Reaktionen erfolgen, derzeit gebe es jedoch keine Anzeichen dafür.   

BOSNIEN-HERZEGOWINA: EU-KANDIDATENSTATUS RÜCKT NÄHER

Mit Verweis auf den heutigen Westbalkan-Gipfel der EU in Tirana, Albanien, begrüßte Schallenberg die Empfehlung der Europäischen Kommission, Bosnien und Herzegowina den EU-Kandidatenstatus zu verleihen. Unter den Mitgliedsländern werde bald eine Einigung dazu gefunden werden, ist er überzeugt. Integrationsschritte wie die Aufnahme von Bosnien und Herzegowina in das EU-Roaming-System wertete er als positive Signale. Im Zusammenhang mit Migrationsbewegungen nach Österreich seien am Balkan bzw. in Südosteuropa die Grenzkontrollen zu verbessern, beschrieb Schallenberg seinen Widerstand gegen einen Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens als “Notbremse”, da 40% der Asylsuchenden über diese Landroute nach Österreich kämen. Als ersten Erfolg sieht er daher, dass die EU-Kommission ihm zufolge gestern einen Aktionsplan zur Eindämmung der illegalen Migration über den Westbalkan verabschiedet hat. Besonders in Hinblick auf die adäquate Versorgung von tatsächlich Schutzsuchenden wie den Vertriebenen aus der Ukraine, müssten jene, “die keine Chance auf Asyl haben”, mit gekürzten Verfahren rascher rückgeführt werden. Schallenberg kann sich dabei auch eine “Konditionalität” bei Handelsverträgen der EU mit entsprechenden Herkunftsländern vorstellen, um die Rücknahmewilligkeit zu erhöhen. Nicht zuletzt mit Bedacht auf erneute Fluchtbewegungen sprach sich der Minister gegen die türkischen Angriffe auf Kurdengebiete aus. (Fortsetzung Außenpolitischer Ausschuss) rei

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