Offener Brief von 300 PsychologInnen und PsychotherapeutInnen: Den Rechtsextremismus verhindern!

Offener Brief von 300 PsychologInnen und PsychotherapeutInnen: Den Rechtsextremismus verhindern!

Angesichts der bevorstehenden Nationalratswahl in Österreich und von kommenden Landtagswahlen in Deutschland möchten wir auf die Gefahr für die Demokratie und die psychische Gesundheit hinweisen, die vom Rechtsextremismus ausgeht. In Österreich würden derzeit etwa 30% der Befragten die FPÖ unter Herbert Kickl wählen. Wie die AfD in Deutschland unterstützt die FPÖ die Befürworter einer „Remigration“ von eingewanderten Menschen. Die fremdenfeindlichen Aktivitäten und die Terminologie der „Identitären“ mit ihrem Vordenker Martin Sellner wurden während der letzten Jahre immer offener geduldet und gefördert. Laut Kickl sind die Identitären ein „unterstützenswertes Projekt“. Sein EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky forderte Anfang April 2024 offenbar ohne jede Berührungsangst die Einsetzung eines „Kommissars für Remigration“.

Herbert Kickl bezeichnet sich bereits als „Volkskanzler“ von Österreich und verspricht eine baldige „Erlösung“ für die angeblich unterdrückte inländische Bevölkerung. Björn Höcke von der AfD hat eine „wohltemperierte Grausamkeit“ bei den geplanten Abschiebungen angekündigt. Kickl ist auf die Verspottung und Beleidigung von missliebigen Personen und Gruppen spezialisiert. In seiner Zeit als österreichischer Kurzzeit-Innenminister ließ er an den Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge die Aufschrift „Ausreisezentrum“ anbringen. In Bezug auf MitbewerberInnen aus den etablierten Parteien äußert er sich in einer Weise, die eine gezielte Entwürdigung von Menschen darstellt: RegierungspolitikerInnen sind für ihn der „Swingerclub der Machtlüsternen“. Sie gehören wie gesuchte Verbrecher auf eine „Fahndungsliste“ und sind „Folterknechte“. Der Bundespräsident ist angeblich „senil“ und „die Mumie in der Hofburg“, ein kritisierter prominenter SPÖ-Politiker ist eine „dicke, rote, fette Spinne“. Arbeitnehmer-VertreterInnen sind „alle dick, statt ausgemergelt“. Ein betagter ÖVP-Politiker wird aufgrund seines Äußeren mit Ötzi verglichen und mit einem „Verstorbenen, der nur noch zuckt“. Über einen altgedienten grünen Spitzenpolitiker sagt Kickl „niemand ist grindiger als er“. Ein parlamentarischer Aufdecker hat angeblich vom vielen Sitzen beim Aktenstudium schon „einen Hintern, rot wie ein Pavian“. Wir sollten alle wissen, dass man so über Menschen nicht reden darf. Aber Kickl gelingt es, sein Publikum zu begeistern. Bevor sich die Restbestände des Gewissens melden, hat man schon auf Kosten anderer gelacht. Die Über-Ich-Demontage schreitet voran. Es geht hier vor allem um ein Body-Shaming, ein Herauslassen niedrigster Instinkte, die im zivilisierten Umgang zwischen Menschen sonst nur in der untersten Schublade zu finden sind. Viele WählerInnen der FPÖ haben sicher auch berechtigte Sorgen in Bezug auf die Krisen in unserer Gesellschaft. Aber zur Antwortreaktion darf nicht die Entwürdigung von Fremden und politischen Gegnern gehören.

Neben der Einladung zur Verfolgung von Minderheiten und zur Schadenfreude tragen die Rechtsextremen das vollmundige Versprechen von „Identität“ vor sich her. Der Zusammenschluss von FPÖ, AfD und anderen rechtsextremen Parteien im Europäischen Parlament nennt sich „Identität und Demokratie“. Der Begriff der Identität ist für die meisten von uns positiv konnotiert. Er entstammt der Psychologie (Stichwort: E. H. Erikson) und breitete sich von dort ab dem Ende der 60er Jahre im reformierten Bildungswesen und im allgemeinen Sprachgebrauch aus. Die von den Rechten versprochene Identität ist eine gefährliche Mogelpackung. Es wird so getan, als würde sich die Identität von Menschen ausschließlich durch eine bekenntnishafte Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder nationalen Großgruppe mit Überlegenheitsanspruch bilden. In der Tat spielt die Gruppenzugehörigkeit für die Entwicklung von Identität eine Rolle. Aber noch wichtiger ist die Fähigkeit, sich zwischen mehreren oft sehr verschiedenen Gruppenzugehörigkeiten kreativ zu bewegen, sich als Individuum mit seiner persönlichen Identität gegenüber dem aktuellen Gruppendruck auch immer wieder zu distanzieren, sich selbst kritisch zu reflektieren und auf diese Weise Autonomie und Selbstachtung zu entwickeln.

Was die Identitären akademisch und seriös klingend Identität nennen, würde eher die Bezeichnung „Großgruppen-Narzissmus mit Überlegenheitsanspruch“ verdienen. Dieser ist psychologisch ungesund und führt fast zwangsläufig zum Projekt einer ethnischen Säuberung. In Deutschland haben Ende Februar 2024 die katholischen Bischöfe und Seelsorger die AfD zu einer Gefahr für die Menschenwürde und als unwählbar erklärt. Als PsychologInnen und PsychotherapeutInnen fühlen wir uns verpflichtet, vor der massiven Gefährdung von Demokratie und Gesundheit zu warnen, die von der FPÖ, der AfD und den Identitären ausgeht. – Helfen Sie mit, keine menschenverachtende, rechtsextreme Partei wie die FPÖ regieren zu lassen!

klaus.ottomeyer@aau.at
0650 7478155

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