NS-Opfer-Fonds könnte bald neuen Vorsitzenden bekommen

NS-Opfer-Fonds könnte bald neuen Vorsitzenden bekommen
Verfassungsausschuss bringt Novelle zum Nationalfonds-Gesetz mit Vertretungsregelung und Abwahlmöglichkeit auf den Weg
Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus könnte bald einen neuen Vorsitzenden bzw. eine neue Vorsitzende bekommen. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute eine entsprechende Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht. Demnach kann sich Nationalratspräsident Walter Rosenkranz als Kuratoriumsvorsitzender des Nationalfonds künftig „für bestimmte Angelegenheiten oder gesamthaft“ vom Zweiten Nationalratspräsidenten Peter Haubner oder der Dritten Nationalratspräsidentin Doris Bures vertreten lassen. Macht er von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, wäre eine indirekte Abwahl durch den Hauptausschuss des Nationalrats möglich. Es gehe darum, den Nationalfonds handlungsfähig zu halten, begründen ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne den gemeinsamen Vorstoß. Kritik kommt von der FPÖ, die Koalitionsparteien hoffen aber, die Freiheitlichen nach Gesprächen mit Rosenkranz noch umstimmen zu können.
Im Ausschuss zur Diskussion stand darüber hinaus ein Bericht der Bundesregierung zur nationalen Strategie gegen Antisemitismus, der einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Außerdem nahmen die Abgeordneten die Beratungen über das Volksbegehren „Kein NATO-Beitritt“ formal auf. Neue Vorsitzende des Verfassungsausschusses ist SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar. Sie folgt dem nunmehrigen Staatssekretär im Innenministerium Jörg Leichtfried nach und wurde einstimmig gewählt.
BREITE MEHRHEIT FÜR ÄNDERUNG DES NATIONALFONDS-GESETZES
Basis für den Beschluss zum Nationalfonds-Gesetz bildete ein Antrag der Grünen (16/A), der von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen gesamthaft abgeändert wurde. Ursprünglich hatten die Grünen vorgeschlagen, den Kuratoriumsvorsitzenden des Nationalfonds jeweils aus den Reihen des Nationalratspräsidiums zu wählen. Damit sollte der geltende Automatismus beseitigt werden, wonach dem Nationalratspräsidenten auch der Vorsitz im Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zukommt.
Nun wird Rosenkranz zunächst die Möglichkeit eingeräumt, sich als Kuratoriumsvorsitzender vertreten zu lassen. Er habe selbst gesagt, er würde zur Seite treten, wenn es Bedenken der jüdischen Gemeinde gegen seine Person gebe, machten unter anderem Muna Duzdar (SPÖ), Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Nikolaus Scherak (NEOS) geltend. Gegen diese Vertretungsregelung hätte auch die FPÖ nichts einzuwenden, wie Harald Stefan und Markus Tschank im Ausschuss sagten. Sie stoßen sich aber daran, dass der Hauptausschuss gleichzeitig die Möglichkeit erhalten soll, Rosenkranz auch abzuwählen. Offenbar wolle man einen aus Sicht der Koalition bestehenden „Wählerirrtum“, nämlich die FPÖ zur stärksten Partei im Nationalrat zu machen, korrigieren, erklärte Stefan und sprach von Anlassgesetzgebung.
Konkret sieht der gemeinsame Abänderungsantrag von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen vor, dass der Hauptausschuss künftig an Stelle des jeweiligen Nationalratspräsidenten bzw. der jeweiligen Nationalratspräsidentin auch den Zweiten Präsidenten bzw. die Zweite Präsidentin zum bzw. zur Kuratoriumsvorzsitenden wählen kann. Voraussetzung dafür ist ein mehrheitlicher Vorschlag jener Kuratoriumsmitglieder, die vom Hauptausschuss des Nationalrats gewählt wurden und entweder dem Nationalrat oder dem Bundesrat angehören bzw. angehörten. In weiterer Folge wäre auch die Wahl des Dritten Präsidenten bzw. der Dritten Präsidentin möglich.
KOALITION: NATIONALFONDS MUSS HANDLUNGSFÄHIG BLEIBEN
Begründet wird die geplante Gesetzesnovelle damit, dass der Nationalfonds funktions- und arbeitsfähig bleiben müsse. Es gebe einen aufrechten Beschluss der IKG, wonach man nicht an Sitzungen des Kuratoriums teilnehmen werde, solange der Nationalratspräsident den Vorsitz führe, hielt etwa Ausschussvorsitzende Duzdar (SPÖ) fest. Auch Opferschutzorganisationen hätten große Bedenken. Österreich habe eine besondere historische Verantwortung für Opfer des Nationalsozialismus, bekräftigte sie. SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz begrüßte in diesem Sinn die vorgesehene „zweistufige Lösung“. Zum einen könne der Präsident den Vorsitz freiwillig abgeben. Sollte er das nicht tun, gebe es eine alternative Lösung, die sicherstelle, dass der Nationalfonds weiterhin seinen Aufgaben nachkommen könne.
Zufrieden mit dem Kompromiss zeigten sich auch NEOS-Abgeordneter Scherak und ÖVP-Abgeordneter Gerstl. Der ÖVP sei es wichtig gewesen, dass die Systematik, wonach der Nationalratspräsident auch Vorsitzender des Nationalfonds sei, grundsätzlich bestehen bleibe und es keine automatische Abwahl gebe, sagte Gerstl. Gleichzeitig müsse der Nationalfonds aber handlungsfähig bleiben, mahnte er. Gerstl sieht für die Gesetzesänderung eine gewisse Dringlichkeit, zumal die Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises bereits verschoben werden musste.
Um die FPÖ vielleicht doch noch zu einer Zustimmung zur Gesetzesinitiative zu bewegen, wollen Gerstl und Scherak ein persönliches Gespräch mit Nationalratspräsident Rosenkranz führen. In Sachen Nationalfonds sei man immer um einen Konsens zwischen allen Parteien bemüht gewesen, erinnerte Scherak. Der vorliegende Vorschlag würde dem Präsidenten die Möglichkeit geben, wie angekündigt beiseitezutreten, sagte er. Bei einem Kompromiss müssten aber beide Seiten aufeinander zugehen und auch der Vorschlag der Grünen – eine automatische Wahl des bzw. der Kuratoriumsvorsitzenden – berücksichtigt werden.
Grünen-Abgeordneter Lukas Hammer hatte den ursprünglichen Antrag seiner Fraktion zuvor damit begründet, dass der geltende Automatismus, wonach der Nationalratspräsident auch Kuratoriumsvorsitzender im Nationalfonds ist, mit der Person von Walter Rosenkranz unvereinbar sei. Konkret stößt er sich nicht nur an dessen Mitgliedschaft „in einer deutschnationalen schlagenden Burschenschaft“ sondern auch an verschiedenen Aussagen von Rosenkranz. Der Nationalfonds solle „in bessere und vertrauensvollere Hände“ gelegt werden, unterstrich er. Den Abänderungsantrag wertete er als „guten Kompromiss“, wobei auch er noch auf eine Zustimmung der FPÖ hofft.
FPÖ SIEHT PROBLEMATISCHE ANLASSGESETZGEBUNG
Seitens der FPÖ ortet Harald Stefan hingegen eine problematische Anlassgesetzgebung nach dem Motto „das Recht folgt der Politik“. Zudem kritisierte er, dass erst heute früh mit der FPÖ über den Antrag gesprochen worden sei. Auch den Nationalratspräsidenten selbst habe man nicht eingebunden. Dass es darum gehe, Rosenkranz die Möglichkeit zu geben, beiseitezutreten, bezeichnete Stefan als „vorgeschütztes Argument“. Vielmehr gehe es darum, ihn aus dem Kuratoriumsvorsitz „wegzubekommen“. Mit der Abwahlmöglichkeit schießt der Antrag seiner Ansicht nach über das Ziel hinaus.
Stefans Fraktionskollege Markus Tschank warnte davor, Repräsentanten der FPÖ „aus der Erinnerungskultur auszuschließen“. Das sei nicht nur rechtsstaatlich bedenklich, sondern würde auch der Erinnerungskultur nicht guttun, meinte er.
VOLKSBEGEHREN „KEIN NATO-BEITRITT“
Einstimmig vertagt hat der Verfassungsausschuss die Beratungen über das Volksbegehren „Kein NATO-Beitritt“, das von 109.089 Personen bzw. 1,72 % der Wahlberechtigten unterzeichnet wurde. Zusätzlich zum bestehenden Neutralitätsgesetz wird darin die Erlassung einer verfassungsrechtlichen Bestimmung gefordert, die der Republik Österreich explizit den Beitritt zur NATO untersagt. Keinesfalls dürfe Österreich durch „kurzsichtige“ politische Entscheidungen in einen militärischen Konflikt involviert werden, argumentieren die Initiator:innen rund um Lukas Papula. Vielmehr seien diplomatische Bemühungen zu intensivieren, um die Republik als „aktiven internationalen Friedensvermittler“ zu positionieren.
Eine Debatte dazu fand heute nicht statt. Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ) drängte aber auf ein zeitnahes Hearing „zu diesem wichtigen Thema“. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs
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