Außenpolitischer Ausschuss: Spannungsverhältnis mit Türkei im Zentrum der Aussprache mit Außenminister Schallenberg

Außenpolitischer Ausschuss: Spannungsverhältnis mit Türkei im Zentrum der Aussprache mit Außenminister Schallenberg

Grünes Licht für zwei internationale Abkommen und eine Änderung beim Auslandsösterreicher-Fonds

Wien (PK) – Außenminister Schallenberg gab in der aktuellen Aussprache im Außenpolitischen Ausschuss einen Ausblick auf einen “heißen Herbst”. Zentrales Thema waren aktuelle Geschehnisse in Österreich, allen voran die Auseinandersetzung zwischen türkischen Nationalisten und pro-kurdischen DemonstrantInnen in Wien Favoriten. Grünes Licht gab es im Ausschuss für zwei internationale Abkommen sowie eine Änderung beim Auslandsösterreicher-Fonds, wodurch die Zuwendungsgrenze für vereinfachte Genehmigungsverfahren auf 1.500 € angehoben und die Verfahren damit beschleunigt werden sollen.

Schallenberg: Außenpolitisch “heißer Herbst”

Die Corona-Krise ist weiterhin das international dominierende Thema, legte Außenminister Schallenberg zu Beginn dar. Besonders bei der Reisefreiheit sei man noch meilenweit von einem Normalzustand entfernt. Doch die Pandemie habe in der Außenpolitik auch Positives hervorgebracht. Besonders die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten Österreichs habe Schallenberg in den vergangenen Monaten intensiv gepflegt. Mit den Nachbarländern Slowenien, Ungarn, Slowakei und Tschechien sei ein lockerer Verband entstanden.

Nun gehe man einem “heißen Herbst” entgegen, sagte Schallenberg. In den Brexit-Verhandlungen ticke die Uhr, es gebe aber aktuell keinen Fortschritt. Im Nahen Osten könnte sich die Lage vielleicht schon vor dem Herbst zuspitzen. Österreichs Position sei jedenfalls klar: Falls es zu einer einseitigen Annexion durch Israel komme, werde die österreichische Regierung diese klar verurteilen. “Das Völkerrecht ist und bleibt die rote Linie”, betonte Schallenberg. Auch die Beziehungen zu China thematisierte der Außenminister. Man müsse China erinnern, dass Macht auch Verantwortung und Engagement bedeute. Er bedauere, dass China die Teilnahme an den Abrüstungsgesprächen zwischen den USA und Russland, die vergangene Woche in Wien stattgefunden haben, abgelehnt hat. Längerfristig seien Abrüstungsbemühungen für beide Seiten ohne die Einbeziehung Chinas nicht zielführend, so Schallenberg. Die Entwicklung in Hongkong verfolge er mit wachsender Sorge. Trotz allem müsse man sich bemühen, den Dialog mit der aufstrebenden Weltmacht China aufrecht zu erhalten.

Die Türkei habe in den vergangenen Monaten auf mehreren Ebenen keine positive Rolle gespielt, etwa durch die Ereignisse an der türkisch-griechischen Grenze und das Bombardement im Nordirak. In den vergangenen Tagen habe man erlebt, wie ein innertürkischer Konflikt nach Österreich getragen wird, sagte Schallenberg mit Blick auf die Ausschreitungen in Favoriten. Dies sei Teil einer aggressiven Stimmungsmache, wie man sie in der Türkei erlebe. In Österreich habe das nichts verloren. Er habe in seinem Gespräch mit dem türkischen Botschafter daher seine Erwartung ausgedrückt, dass dieser einen Beitrag zur Deeskalation leistet.

Fragen rund um aktuelle Ereignisse in Österreich

Diese aktuelle Thematik war auch Gegenstand der Fragen mehrerer Abgeordneter. Neben Axel Kassegger (FPÖ), der sich nach den genauen Inhalten und Ergebnissen des Gesprächs mit dem türkischen Botschafter erkundigte, thematisierte auch Nurten Yılmaz (SPÖ) das Spannungsverhältnis mit der Türkei. Harald Troch (SPÖ) wollte wissen, ob es eine gemeinsame Stellungnahme der EU zu den türkischen Luftangriffen im Nordirak und in Syrien gebe.

Ebenfalls ein Thema aus dem Inland nahm Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) zum Anlass für ihre Frage. Sie wollte wissen, ob die Reformpläne von Verteidigungsministerin Tanner mit dem Außenministerium abgestimmt worden seien und ob diese Auswirkungen auf österreichische Kapazitäten für internationale Friedenseinsätze haben. Eva Maria Holzleitner (SPÖ) thematisierte eine mögliche zweite Welle an Corona-Infektionen während der Urlaubszeit und wollte wissen, welche Vorkehrungen das Außenministerium dafür treffe. Helmut Brandstätter (NEOS) fragte im Zusammenhang mit der Situation im Nahen Osten nach, wie die europäische Haltung aussehe.

Den Amtssitz Wien für internationale Organisationen thematisierte Reinhold Lopatka von der ÖVP. Er wollte wissen, was die Bundesregierung unternimmt, damit Wien als Amtssitz eine starke Position in der internationalen Konkurrenz behält. In diesem Zusammenhang fragte Alexander Melchior (ÖVP), wie die Gespräche zwischen den USA und Russland, die vergangene Woche in Wien stattgefunden haben, verlaufen seien. Georg Strasser (ÖVP) erkundigte sich nach einem Ausblick zum Brexit. Ebenfalls ein Thema auf europäischer Ebene, das Mercosur-Abkommen, sprach Michel Reimon (Grüne) an. Er fragte nach, ob Österreich sich weiterhin gegen das Abkommen aussprechen werde.

Außenminister über Gespräch mit türkischem Botschafter

Im Gespräch mit dem türkischen Botschafter sei er sehr deutlich gewesen, sagte Schallenberg in Richtung von Kassegger und Yılmaz. Der Botschafter habe in einem Tweet die Hälfte der DemonstrantInnen als TerroristInnen bezeichnet. So könne sein Beitrag zur Deeskalation nicht funktionieren, habe Schallenberg verdeutlicht. Zu den Bombardements im Nordirak gebe es noch keine Stellungnahme der EU, antwortete der Minister auf die Frage von Harald Troch. Die Luftangriffe seien aber klar abzulehnen.

Zu den von Rendi-Wagner thematisierten Reformplänen im Bundesheer habe die Verteidigungsministerin bereits Stellung bezogen und klargestellt, dass die verfassungsrechtlichen Grundaufgaben gesichert bleiben. Reformen seien aber immer notwendig, es gebe laufende Kontakte zwischen dem Außen- und dem Verteidigungsministerium. Ihm gegenüber sei bislang nicht angedeutet worden, dass durch die Reformpläne die österreichische Teilnahme an internationalen Friedensmissionen gefährdet sei.

In Zusammenhang mit einer möglichen zweiten Welle an COVID-19-Infektionen, die Holzleitner angesprochen hatte, berichtete der Außenminister, dass er in internationalen Gesprächen merke, dass die Stimmung wieder angespannter werde und erneute Grenzschließungen überlegt werden. Angesichts der Situation solle man seinen Sommer besser in Österreich verbringen, so Schallenberg. Man werde aber natürlich ÖsterreicherInnen, falls sie im Ausland stranden sollten, bei der Heimkehr helfen. Zu der von Brandstätter thematisierten Situation im Nahen Osten habe jedenfalls Österreich eine klare Haltung. Sein Ansinnen sei, dass es auch eine europäische gebe, so Schallenberg. Diese europäische Haltung müsse eine Verurteilung und Ablehnung einer einseitigen Annexion sein. Ziel müsse eine Zwei-Staaten-Lösung auf Basis des Völkerrechts sein.

Zur Frage von Lopatka nach der Stärkung des Amtssitzes Wien führte der Außenminister aus, dass es laufend Bemühungen dafür gebe. Ein wichtiger Schritt sei die Schaffung eines modernen österreichischen Amtssitzgesetzes. Ein weiteres Großprojekt der kommenden Jahre sei die Sanierung der UNO-City. Geplant sei ein Budget in dreistelliger Millionenhöhe, zu dem Österreich einen Beitrag leisten solle. Die Bedeutung der Abrüstungsgespräche zwischen den USA und Russland könne man in diesem Zusammenhang gar nicht überbewerten, so Schallenberg in Richtung des Abgeordneten Melchior. In der Frage des Brexit sei es von großem Interesse, eine engstmögliche Verbindung mit Großbritannien zu erreichen. Die Zeit bis Jahresende werde aber knapp, man könne nicht ausschließen, dass die Situation im November schwierig werde, führte der Minister auf die Frage von Georg Strasser aus. Im von Reimon thematisierten Mercosur-Abkommen bleibe es bei einem Nein aus Österreich. Schallenbergs Einschätzung nach werde Österreich nicht der einzige Staat sein, der das Abkommen ablehnt.

UNESCO-Abkommen zur Errichtung des Internationalen Zentrums für Menschenrechte in Graz

Mit einem Abkommen (181 d.B.) zwischen Österreich und der UNESCO wird Graz zum Standort für das Internationale Zentrum für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene. Beim Menschenrechtszentrum in Graz wird es sich um das erste Kategorie-II-Zentrum der UNESCO in Österreich handeln, was bedeutet, dass es unter der Schirmherrschaft der UN-Organisation steht. Das Zentrum soll demnach einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der strategischen Ziele der UNESCO leisten, insbesondere zur Förderung des interkulturellen Dialogs. Zudem soll es zur Implementierung der Neuen Urbanen Agenda sowie der Agenda 2030 der Vereinten Nationen beitragen. Weitere Zielsetzung ist die Umsetzung der internationalen Menschenrechtsagenda auf lokaler und regionaler Ebene, wobei Forschung, Kapazitätenaufbau im Sinne von Beratung und Menschenrechtserziehung, Informationsverbreitung und internationale Zusammenarbeit im Mittelpunkt stehen werden.

Sowohl institutionell als auch inhaltlich soll das Menschenrechtszentrum auf der Erfahrung und Praxis des seit 1999 bestehenden Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie (ETC) in Graz aufbauen. Das Abkommen sieht vor, dass Österreich Mittel in Höhe von 1,5 Mio. € für die Durchführung seines Arbeitsprogramms zur Verfügung stellt.

Martina Kaufmann (ÖVP) und Faika El-Nagashi (Grüne) bewerteten die Errichtung des Internationalen Zentrums für Menschenrechte in Graz als positives Vorhaben. Gerade in Zeiten wie diesen sei ein Commitment zu Menschenrechten besonders wichtig, so El-Nagashi. Auch vonseiten der NEOS und der SPÖ gab es Zustimmung. Jeder Schritt zur Festigung des Rufs Österreichs in Bezug auf die aktive Unterstützung von Menschenrechten sei wichtig, sagte Petra Bayr (SPÖ), wobei sie sich auf internationaler Ebene noch mehr Zutun wünschte. Keinen Grund für Kritik oder Ablehnung sah ebenfalls NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter. Es sei gut für Österreich, wenn sich weitere internationale Einrichtungen ansiedeln.

Auf Ablehnung stieß das Abkommen hingegen bei der FPÖ. Nachdem es sich um ein Kategorie-II-Zentrum der UNESCO handelt, arbeite es in erster Linie auf lokaler und regionaler Ebene, bemängelte Axel Kassegger (FPÖ), seiner Fraktion würden hundert andere Regionen in der Welt einfallen, wo der Bedarf dringlicher wäre. Zudem seien aus Sicht der Freiheitlichen die dafür vorgesehenen 1,5 Mio. € an Steuergeld woanders besser investiert.

Außenminister Schallenberg zeigte sich erfreut, dass mit dem Internationalen Zentrum für Menschenrechte in Graz ein internationaler Amtssitz regionalisiert werden konnte. Auf den Einwand der FPÖ entgegnete der Minister, dass das Zentrum an wichtigen Grassroots-Projekten im Ausland wie das Recht auf Bildung für Roma-Kinder in Südosteuropa oder Menschenrechtstrainings für Städte in Afrika arbeiten wird.

Auslandsösterreicher-Fonds: Zuwendungsgrenze wird für vereinfachte Genehmigungsverfahren auf 1.500 € angehoben

Durch die einstimmig angenommene Änderung beim Auslandsösterreicher-Fonds (222 d.B.) wird die aktuell vorgesehene Zuwendungsgrenze für materiell in Not geratene AuslandsösterreicherInnen von 1.000 € für sogenannte vereinfachte Genehmigungsverfahren, die eine gemeinsame Zustimmung von zwei Kuratoriumsmitgliedern bedürfen, auf 1.500 € pro Jahr angehoben, erläuterte Nico Marchetti (ÖVP). Die seit 2006 bestehende Betragsgrenze entspreche nicht mehr der seitdem erfolgten Preisentwicklung, dadurch würden bei der Abwicklung von Zuwendungen aus dem Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF) Verfahrensverzögerungen entstehen.

Auf die Frage von Petra Bayr (SPÖ) und Axel Kassegger (FPÖ), ob die Anhebung der Zuwendungsgrenze für vereinfachte Genehmigungsverfahren eine Verringerung der Auszahlungsfälle mit sich bringen wird, informierte der Minister, dass der Fonds mit 550.000 € dotiert ist und im letzten Jahr voll ausgeschöpft worden sei.

Ratifizierung der Satzung der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA)

Durch eine Ratifizierung der Satzung der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) bzw. durch einen Beitritt Österreichs zu IRENA soll einem inhaltlichen Schwerpunkt der Außenpolitik der Regierung Rechnung getragen werden, um die Position Österreichs als internationaler “Energy Hub” auszubauen, führte Nikolaus Berlakovich (ÖVP) im Ausschuss aus. Nach Inkrafttreten der IRENA-Satzung geht die Federführung vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten auf das für Energie zuständige Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie über. Der IRENA-Mitgliedsbeitrag Österreichs beläuft sich auf rund € 140.000 im Jahr. Gegenwärtig haben 183 Staaten die Satzung unterzeichnet und 161 Staaten ratifiziert. IRENA fördert die umfassende und verstärkte Einführung sowie die nachhaltige Nutzung aller Formen erneuerbarer Energie (225 d.B.). Das Abkommen erhielt im Ausschuss einhellige Zustimmung. (Fortsetzung Außenpolitischer Ausschuss) kar/keg

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