Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 5. September 2020. Von MANFRED MITTERWACHAUER. „Viermal Gelb und alle sehen Rot“.
Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 5. September 2020. Von MANFRED MITTERWACHAUER. „Viermal Gelb und alle sehen Rot“.
Innsbruck (OTS) – Seit gestern wissen wir, wie die Corona-Ampel des Bundes tickt. Grünes Licht gibt es für alle – nur für die Städte Wien, Linz und Graz sowie den Bezirk Kufstein nicht. Die Landesvertreter heulen auf – den Schwarzen Peter hat der Bund.
Malen nach (Corona-)Zahlen: So oder so ähnlich funktioniert die gestern in Betrieb gegangene Corona-Ampel des Bundes. Grün war zum Start die dominierende Farbe, die der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober für die Republik verkünden konnte. Das Bummerl haben vorerst die Städte Wien, Linz und Graz sowie der gesamte Bezirk Kufstein. Konkrete Konsequenzen gibt’s für die vier „Problembären“ im Land vorerst aber keine. Weil der Bund erst mit konkreten Verordnungen die aus der Ampel abzuleitenden Maßnahmen (auch per Nationalrat) legitimieren muss. Der Ampel-Fehlstart ist damit perfekt.
Er ist symptomatisch für die gesamte Situation: Dort, wo die Ampel für diese Woche grün blinkt, sprach sich die Corona-Kommission einstimmig dafür aus. Für Gelb schaffte man lediglich einen Mehrheitsbeschluss. Es ist unschwer auszurechnen, wer sich in diesen Fällen quergelegt haben dürfte: die jeweiligen Landesvertreter in der Kommission.
Die Akzeptanz der Corona-Ampel gleicht derzeit eher einer Fußgänger-und Radfahrer-Ampel im Straßenverkehr: Für die Beteiligten sind sie bestenfalls eine Empfehlung – daran halten tun sich die wenigsten. Die „Gelben“ sahen gestern nämlich allesamt Rot. Der Linzer Bürgermeister gibt sich stur, spricht von einem „Murks“ und will schärfere Corona-Maßnahmen boykottieren. Wien hat’s zwar erwartet, vermisst aber eine rechtliche Basis und wartet zu. Detto Tirol. LH Günther Platter will ohne Bundesverordnung keine Verschärfungen anordnen. Stattdessen keimt auch hier – wenngleich verhalten – Kritik auf. Es gehe nicht an, dass der Bund einfach gesamte Bezirke über Nacht umfärbe. Es brauche mehr Differenzierung.
Anschober und Co. wollten mit der Ampel für mehr Klarheit sorgen. Geschafft haben sie das vorerst nicht. Weil die Konsequenzen daraus, nämlich konkrete und per Verordnung gesetzlich verankerte Maßnahmen, dem Farbenspiel hinterherhinken. Das verunsichert und gibt dem Willkür-Vorwurf neue Nahrung.
Die Ampel wird künftig jeden Freitag neu gestellt. „Geh oder Steh“ – das muss rascher geklärt sein. Das Prinzip Montagsmaler um die dazugehörigen Verordnungen und Konsequenzen für Länder und Regionen muss ein Ende haben. Ansonsten darf sich das Gesundheitsministerium nicht wundern, wenn ihm die Länder in diesem Match in den kommenden Monaten ein ums andere Mal den Schwarzen Peter zuschieben.
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