Deutsche Aidshilfe: Die Drogenpolitik in Deutschland steht vor einem Scherbenhaufen / Strafverfolgung reduziert Nachfrage und Angebot nicht, verursacht aber hohe individuelle und soziale Kosten

Deutsche Aidshilfe: Die Drogenpolitik in Deutschland steht vor einem Scherbenhaufen / Strafverfolgung reduziert Nachfrage und Angebot nicht, verursacht aber hohe individuelle und soziale Kosten

Berlin (ots) – Der am 8. September von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Daniela Ludwig, und dem Bundeskriminalamt vorgestellte Rauschgiftlagebericht 2019 (https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Rauschgiftkriminalitaet/2019RauschgiftBundeslagebild.html?nn=27972) zeigt: Trotz aller Bemühungen der Strafverfolgungsbehörden steigen die Verfügbarkeit von Betäubungsmitteln und die Nachfrage nach ihnen.

„Die Repression ist gescheitert“, kommentiert Björn Beck vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe. „Die Kriminalisierung von Drogenkonsument_innen ist aber nicht wirkungslos – sie verursacht hohe Kosten und große menschliche und gesellschaftliche Schäden“, so Beck weiter. Beck verweist auf die erneut gestiegene Zahl der drogenbedingten Todesfälle: 1.398 Menschen starben 2019 einen vermeidbaren Tod.

Nötig sind Entkriminalisierung und Regulierung statt Repression

„Die Drogenpolitik muss endlich parteiübergreifend und interdisziplinär auf neue Füße gestellt werden – Entkriminalisierung und staatliche Regulierung von Drogen, Aufklärung und Prävention sowie Schadensminimierung und Behandlung für alle müssen in den Mittelpunkt rücken“, fordert Björn Beck.

„Während die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und das Bundeskriminalamt alle registrierten drogenbezogenen Straftaten in die Nähe der organisierten Kriminalität stellen, sind in Wirklichkeit 80 Prozent sogenannte konsumnahe Delikte“, erläutert Dirk Schäffer, Drogenreferent der Deutschen Aidshilfe. Der angebliche Anstieg bei der Drogenkriminalität sei fast ausschließlich auf die verstärkte Verfolgung von Konsument_innen zurückzuführen.

Kriminalisierung hat oft dramatische berufliche und private Folgen

Besonders deutlich werden die schädlichen Folgen der Drogenverbotspolitik am Beispiel Cannabis: Cannabisbezogene Delikte machten 2019 rund 60 Prozent der fast 360.000 erfassten Drogendelikte und 65 Prozent aller konsumnahen Delikte aus. Zum Vergleich: Kokainbezogene Delikte machten 5,6 Prozent aller Drogendelikte aus, Heroin 3 Prozent.

„Hier werden erwachsene Konsument_innen systematisch kriminalisiert, häufig mit dramatischen beruflichen und privaten Folgen“, so Schäffer weiter. „Das darf nicht das Ziel der Drogenpolitik sein.“

Rund 13 Prozent aller Inhaftierten und fünf Prozent der inhaftierten Jugendlichen saßen 2018 wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (https://www.dbdd.de/fileadmin/user_upload_dbdd/05_Publikationen/PDFs/REITOX_BERICHT_2019/WB_09_Gefaengnis_2019.pdf) (BtmG) ein. „Das zeigt auch: Der Jugendschutz im Bereich Drogen ist endgültig gescheitert“, so der DAH-Drogenreferent.

Deutsche Aidshilfe fordert Zukunftskommission für Drogenpolitik

„Die Deutsche Aidshilfe fordert die Bundesregierung auf, ähnlich wie zum Thema Landwirtschaft eine Zukunftskommission für eine wirksame und gesellschaftliche wie individuelle Schäden verhindernde Drogenpolitik einzuberufen“, so DAH-Vorstand Björn Beck. „Vergabe von sterilen Spritzen und Nadeln, Drogenkonsumräume, die Ausweitung der Substitutionsbehandlung und Drugchecking sind wichtige Säulen, aber ohne Entkriminalisierung und staatliche Kontrolle über Produktion und Vertrieb von Drogen werden die Erfolge dieser Arbeit konterkariert, und die Politik nimmt weiter vermeidbare Drogentodesfälle, Vergeudung von Ressourcen und großes Leid in Kauf.“

Die Aidshilfe appelliert daher: Frau Ludwig, nehmen Sie die mehr als 19.000 Unterschriften von Fachverbänden und Einzelpersonen ernst, die sich für eine unabhängige Fachkommission für eine veränderte Drogenpolitik einsetzen (https://www.change.org/p/frau-ludwig-engagieren-sie-eine-unabh%C3%A4ngige-fachkommission-f%C3%BCr-eine-neue-drogenpolitik?utm_source=share_petition&utm_medium=custom_url&recruited_by_id=c001b720-a3fe-11ea-932d-99af0ac9b960), und treten Sie mit den Initiator_innen in den Dialog.

Pressekontakt:

Deutsche Aidshilfe
Dirk Schäffer, Drogenreferent
mobil 01522 / 9 93 87 11
dirk.schaeffer@dah.aidshilfe.de
www.aidshilfe.de


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