TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: “Disziplin ging verloren”, von Mario Zenhäusern

TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: “Disziplin ging verloren”, von Mario Zenhäusern

Ausgabe vom Samstag, 19. September 2020

Innsbruck (OTS) – Die Bereitschaft zur konsequenten Einhaltung der Corona-Grundregeln Abstand, Hygiene und Maske ist über die Sommer­monate deutlich gesunken. Jetzt liegt es an jeder und jedem Einzelnen, wie lange die Einschränkungen andauern.

Kaum hat die Bundesregierung die neuen, wesentlich verschärften Corona-Regeln verkündet, melden sich die Kritiker zu Wort. Vor allem die – zugegeben restriktiven – Einschränkungen für den Handel und das Partyvolk (keine „geschlossenen Gesellschaften“ mehr in öffentlichen Lokalen nach ein Uhr früh) rufen Widerspruch hervor. Alles überzogen, die Gefahr wird überschätzt. Ein bisschen Hygiene- und Abstandregeln einhalten, das müsste doch eigentlich genügen, um das Virus in die Schranken zu weisen.
Die Kritiker haben vollkommen Recht. Das Einhalten der Hygiene-und Abstandsregeln in Verbindung mit dem kompromisslosen Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes überall dort, wo der notwendige Abstand zum Nachbar oder zur Nachbarin nicht gewährleistet ist, würden tatsächlich genügen. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Nur weil sich die Bevölkerung konsequent und mit großer Disziplin an exakt diese Maßnahmen gehalten hat, gelang es, die Auswirkungen der ersten Corona-Welle im Frühjahr in Grenzen zu halten. Das hat Österreich international großen Respekt eingebracht.
Nur ging diese Disziplin, die Bereitschaft, sich an die simp­len wie wirkungsvollen Regeln zu halten, über die Sommermonate plötzlich verloren. Nicht bei allen, aber bei vielen. Zu vielen. Als würde das Coronavirus nicht mehr existieren, wurden ausgelassen Partys gefeiert, sammelten sich vor Nachtlokalen Menschentrauben an, dauerten private Feiern in Gastlokalen bis zum Morgengrauen. Die Grundregeln in Corona-Zeiten – Abstand, Hygiene und MNS-Maske (die im Übrigen mittlerweile von Experten ebenso wie von der WHO dringend empfohlen wird) – galten und gelten für zu viele nicht mehr. Dabei wäre ihre Einhaltung gerade jetzt notwendig, wo die Infektionszahlen wieder auf Frühjahrsniveau steigen.
Tatsache ist: Hätte wie im Frühjahr der Großteil der Bevölkerung die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten und dort, wo das nicht möglich war, Mund und Nase mit einer Maske bedeckt, wären uns einige der drastischen Maßnahmen erspart geblieben, zu deren Verordnung die Bundesregierung jetzt greifen musste.
Es liegt an jedem und jeder Einzelnen, wie lange die Einschränkungen andauern. Je mehr Personen sich an die verordneten oder empfohlenen Maßnahmen halten, desto schneller gelingt die notwendige Trendumkehr. Die Alternative will sich niemand vorstellen. Und kann sich vor allem das Land nicht leisten.

Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender