Kunstrückgabebeirat beschloss sechs Empfehlungen

Kunstrückgabebeirat beschloss sechs Empfehlungen
Wien (OTS) – Der österreichische Kunstrückgabebeirat beschloss in seiner heutigen 99. Sitzung (30. März 2022) Empfehlungen zu Rückgaben aus dem Kunsthistorischen Museum Wien, der Albertina, dem MAK – Museum für angewandte Kunst, aus dem Volkskundemuseum Wien, aus der Österreichischen Galerie Belvedere sowie der Österreichischen Nationalbibliothek.
In Bezug auf die beschlagnahmten Sammlungen der Familie Rothschild wurde im Archiv des Kunsthistorischen Museums Wien ein von Nathaniel Rothschild 1903 angelegter Katalog „Notizen über einige meiner Kunstgegenstände“ aufgefunden, welcher gemeinsam mit der Kunstsammlung Alphonse Rothschilds in dessen Palais in der Theresianumgasse beschlagschlagnahmt und im Herbst 1938 in das neu geschaffene „Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen“ in der Neuen Burg überstellt worden war. In weiterer Folge gelangte er in den Bestand des Kunsthistorischen Museums Wien, wo sein Verbleib bereits seit 1946 nicht mehr bekannt gewesen sein dürfte; der Beirat empfahl daher seine Übereignung an die Rechtsnachfolger:innen nach Alphonse Rothschild; in dessen ebenfalls beschlagnahmter – und an die Nationalbibliothek überstellter – Bibliothek fand sich des Weiteren eine Druckschrift, welche eine handschriftliche Widmung an Alphonse Rotschilds Gattin Clarice von deren Mutter enthält, weshalb der Beirat auch hier den Tatbestand des Kunstrückgabegesetzes erfüllt sah und die Rückgabe empfahl.
Eine weitere Rückgabeempfehlung wurde in Bezug auf die Porträtzeichnung Richard Wagners von Franz von Lenbach ausgesprochen, welche die Albertina 1982 angekauft hat. Das Blatt hatte Adalbert Parlagi gehört, der NS-verfolgungsbedingt im Dezember 1938 mit seiner Familie nach London fliehen musste, wobei das für den Transport vorbereitete und bei der Wiener Speditionsfirma Zdenko Dworak eingelagerte Umzugsgut samt der Kunstsammlung 1940 von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt und 1941/42 zugunsten der Verwaltungsstelle jüdischen Umzugsgutes der Gestapo im Dorotheum versteigert wurde. Die Zeichnung kaufte der Regisseur Ernst Marischka, mit dem Adalbert Parlagi nach 1945 auch Kontakt aufnahm, sein Kunstwerk erlangte er jedoch nicht zurück.
Eine Drachenvase aus dem MAK – Museum für angewandte Kunst empfahl der Beirat zur Rückgabe an die Rechtsnachfolger:innen nach dem als jüdisch verfolgten Industriellen und Kunstsammler Oscar Bondy. In verschiedenen Chargen wurde dessen umfangreiche Sammlung auf Antrag der Zentralstelle für Denkmalschutz 1938/39 sichergestellt und in weiterer Folge vollständig und ersatzlos zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Während acht Objekte aus dem MAK 1948/49 an Bondys Witwe restituiert wurden, verblieb die Drachenvase, 1952 als „Geschenk eines Ungenannten“ inventarisiert, bis heute im MAK. Drei Objekte aus der ehemaligen Sammlung Bondys wurden hingegen nicht zur Restitution empfohlen. Diese erwarb das MAK nach 1945 vom Kunsthändler Blasius Fornach, der sie zuvor wiederum von Bondys Witwe kaufte, nachdem sie die Objekte restituiert bekommen hatte.
In Bezug auf ein Beschneidungsmesser mit zugehöriger Holzschatulle, welches im Volkskundemuseum Wien als aus dem Eigentum Arthur Kohns stammend identifiziert wurde, konnte der Beirat, da es sich um eine Leihgabe handelt, nicht zur Rückgabe empfehlen.
Der Leihgeber Arthur Kohn, der Urgeschichte studiert hatte und gemeinsam mit seinem Bruder Viktor Anteile an dem von seinem Großvater gegründeten Klavierhaus Bernhard Kohn hielt, wurde nach dem „Anschluss“ 1938 als jüdisch verfolgt, die Firma wurde „arisiert“ und das ebenfalls der Familie Kohn gehörige Wohnhaus zwangsweise verkauft. Nach ihrer Zuweisung in eine sogenannte Sammelwohnung wurden Arthur und seine Frau Ida Kohn in das NS-Ghetto Theresienstadt deportiert, wo Arthur Kohn 1944 starb; Ida wurde in Auschwitz ermordet. Mit Ausnahme des mit einer als „arisch“ geltenden Frau verheirateten Bruders Viktor Kohn wurden fast alle anderen Familienmitglieder in NS-Konzentrations- oder Vernichtungslagern ermordet. Aus diesem Grund hielt es der Beirat für angezeigt, dass mit Arthur Kohns Nachkommen in Kontakt getreten wird und diese von der Existenz des Leihvertrags bzw. der Möglichkeit, diesen zu kündigen, unterrichtet werden.
Unter anderen Vorzeichen stellt sich der vom Beirat behandelte Fall einer barocken Holzstatuette dar, welche der Jurist Adolf Proksch 1944 an die Österreichische Galerie verkauft hatte. Aufgrund seiner Tätigkeit für die von Engelbert Dollfuß gegründete Vaterländische Front wurde Proksch im März 1938 verhaftet und mit dem ersten, sogenannten „Prominenten-Transport“ in das Konzentrationslager Dachau verbracht. Von dort wurde er nach knapp zehnmonatiger Haft entlassen. Eine fortdauernde politische Verfolgung über die Jahre 1938/39 hinausgehend konnte aufgrund seiner nachfolgenden Verwendung in der Wehrmachtsverwaltung jedoch ebenso wenig festgestellt werden wie eine NS-verfolgungsbedingt begründete finanzielle Notlage, welche Proksch nach dem Krieg stets anführte. Immerhin war es ihm 1943/44 möglich gewesen, zuvor anderen verfolgten Personen entzogene Liegenschaften um vergleichsweise hohe Summen zu erwerben. Der Beirat kam daher zum Ergebnis, dass der gegenständliche Verkauf an das heutige Belvedere im Jahr 1944 nicht auf einer politisch motivierten Verfolgung gründete, und empfahl, die Statuette nicht zu restituieren.
Abschließend befasste sich der Beirat mit 810 Musiknotendrucken aus der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, die bislang keinen konkreten Voreigentümer:innen eindeutig zugeordnet werden konnten. Es handelt es sich einerseits um Objekte, die während der NS-Zeit entzogen und der Nationalbibliothek direkt zugewiesen, als auch um Werke, die infolge ihrer Beschlagnahme während des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit in die Bibliothek eingegliedert wurden. Hier empfahl der Beirat die Übereignung an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zur Verwertung.
Die Beschlüsse sind im Wortlaut auf der Webseite der Kommission für Provenienzforschung unter [www.provenienzforschung.gv.at]
(http://www.provenienzforschung.gv.at/) wiedergegeben.
Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
Mag. Heike Warmuth
Pressesprecherin der Staatssekretärin für Kunst und Kultur
+43 6646104501
heike.warmuth@bmkoes.gv.at
www.bmkoes.gv.at
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