Nationalrat gibt Startschuss für zwei Untersuchungsausschüsse

Nationalrat gibt Startschuss für zwei Untersuchungsausschüsse

Prüfungen von etwaigem Machtmissbrauch unter ÖVP bzw. unter SPÖ- und FPÖ-Verantwortung können beginnen

Mit der Behandlung des von SPÖ und FPÖ verlangten COFAG-Untersuchungsausschusses und des von der ÖVP angestoßenen Rot-Blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses gab der Nationalrat in seiner heutigen Sitzung den formalen Startschuss für deren Aufnahme. Während Sozialdemokrat:innen und Freiheitliche prüfen wollen, ob eine “Zweiklassenverwaltung” zugunsten ÖVP-naher Milliardäre vorliegt – insbesondere bei Auszahlungen der COVID-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) -, möchte die Volkspartei eine mögliche zweckwidrige Verwendung öffentlicher Gelder unter SPÖ- und FPÖ-Regierungsbeteiligungen unter die Lupe nehmen. Im gestrigen Geschäftsordnungsausschuss wurde der Weg für die Ende November eingebrachten Verlangen auf die Einsetzung der U-Ausschüsse geebnet und die Rahmenbedingungen für deren Tätigkeiten weitgehend geklärt (siehe Parlamentskorrespondenz NR.1407/2023).

Angesichts zweier parallel abzuhaltender Untersuchungsausschüsse einte die Abgeordneten sämtlicher Fraktionen die Sorge um die Reputation der Politik an sich. Das von allen Parteien verteidigte parlamentarische Kontrollinstrument des Untersuchungsausschusses dürfe nicht zu einer “Schlammschlacht” verkommen, wie etwa von Seiten der NEOS und der Grünen zu hören war. Gleichzeitig warfen sich ÖVP, SPÖ und FPÖ gegenseitig den Missbrauch des Instruments vor.

Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures gab am Schluss der Sitzung bekannt, dass ein Verlangen der FPÖ auf Durchführung einer Gebarungsprüfung durch den Rechnungshof eingebracht wurde. Diese Prüfung soll sich auf “illegale Parteienfinanzierung” durch ÖVP- und Grünen-Ministerien beziehen. Mit dem Stellen des Verlangens durch 20 Abgeordnete sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Gebarungsprüfung auch ohne Beschluss des Nationalrats erfüllt.

COFAG-UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Der von SPÖ und FPÖ verlangte COFAG-Untersuchungsausschuss soll eine eventuelle bevorzugte Behandlung von Personen durchleuchten, denen ein Vermögen von zumindest einer Milliarde Euro zugerechnet werden kann und die die ÖVP etwa durch Spenden unterstützt haben oder um deren Unterstützung von der ÖVP geworben wurde. Der Fokus der Untersuchungen soll auf der COVID-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG) liegen sowie deren Zahlungen an der Volkspartei nahestehenden Milliardäre bzw. Konzerne. Als weitere Beweisthemen werden im Verlangen angeführt: “Informationsweitergabe und Interventionen”, “Kooperationen staatsnaher Unternehmen mit ÖVP-nahen Milliardären” und die “staatliche Aufsicht”. Dabei geht es um Förderungen, Steuernachlässe, beschleunigte Verfahren oder Informationsweitergaben ebenso wie um Aufsichtsratsposten und Auftragsvergaben. Auch etwaigen Interventionen in Zusammenhang mit Aufsichts- bzw. Strafverfahren sowie möglichen Schmiergeldflüssen soll nachgegangen werden. Der zu untersuchende Zeitraum erstreckt sich laut Verlangen vom 18. Dezember 2017 bis zum 23. November 2023.

Das sicherste Ergebnis des Untersuchungsausschusses werde laut Klaus Führlinger (ÖVP) ein “Gesamtschaden” für die Politik an sich sein, wie bereits die zwei vorangegangen Untersuchungsausschüsse und die Reaktionen der Bevölkerung auf die Einsetzung der aktuellen gezeigt hätten. Alle Politiker:innen säßen dahingehend “im gleichen Boot”. Nichtsdestotrotz stehe Fürhlinger hinter dem Recht des Parlaments, die Verwaltung zu kontrollieren. Er äußerte die Meinung, dass im Rahmen der COFAG “alle gleich behandelt” worden seien, da diese auf Basis strikter Regeln und unter Einbeziehung der Finanzbehörden gehandelt hätte. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, müsse dies aufgeklärt und zukünftige Handlungsanleitungen daraus abgeleitet werden, sagte Führlinger. Generell erwarte die Politik insgesamt eine “Nagelprobe, ob parteipolitischer Narzissmus oder der Blick aufs Ganze” sich durchsetzen können.

Von der “Blackbox” COFAG sprach SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer und betonte, dass diese bis zu einem Erkenntnis des VfGH ohne jegliche parlamentarische Kontrolle habe agieren können. “Natürlich” werde die Gelegenheit nun genutzt, um etwa Vorwürfen der strukturellen Überförderung nachzugehen. Es herrsche Einigkeit darüber, dass die Wirtschaftshilfen notwendig gewesen seien, um Arbeitsplätze zu retten, jedoch nicht, um Gewinne oder gar “Rekordgewinne” zu finanzieren, erklärte Krainer. Die Europäische Kommission habe festgestellt, dass gesetzeswidrige Zahlungen der COFAG in der Höhe von bis zu 1 Mrd. € erfolgt seien und die Geschäftsführung der COFAG selbst spreche von 400 Mio. €. Zwar habe es im Vorfeld der Untersuchungsausschüsse auch mit der ÖVP konstruktive Gespräche gegeben, doch habe sie im vorangegangen Geschäftsordnungsausschuss ein “erstes Foul an der Aufklärung” geliefert, da sie nicht zugestimmt habe, auch die ÖBAG, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) samt ihrer ARE-Töchter, die Bundesbeschaffungs GmbH (BBG) und die ABBAG zur Lieferung von Akten und Unterlagen an den COFAG-Untersuchungsausschuss zu verpflichten.

Der Vertrauensverlust in die Politik trage die “drei Buschstaben ÖVP” reagierte Christian Hafenecker (FPÖ) auf Führlinger. Es sei die ÖVP gewesen, die durch ihr Verhalten den COFAG-Untersuchungsausschuss initiiert habe, und er hätte ihr erspart bleiben können, wenn sie “ordentlich wirtschaften” würde. Stattdessen habe sie im Sinne eines “tiefen Staates” lediglich Geld- und Machtmaximierung betrieben, was nun aufgearbeitet und sichtbar gemacht werden müsse, so Hafenecker. Er nannte unter anderem die Fälle von Sophie Karmasin und René Benko, die er zwar “nicht durch den Kakao ziehen” wolle, welche aber eine “schwarze Ethik” demonstrieren würden.

Die Grünen hätten jahrelang um das Minderheitenrecht des Untersuchungsausschusses gekämpft, wie ihr Mandatar David Stögmüller ausführte, und würden den von der Verfassung vorgegebenen Aufklärungsauftrag auch ernst nehmen – unabhängig davon, welche Partei im Fokus stehe. Dazu brauche es weder “Hobby-Sheriffs mit rauchenden Colts” noch Abgeordnete, die durch Störung die Aufklärung verhindern wollen. Aus diesem Aufklärungsprozess würden sich auch wichtige Anstöße für Gesetzesänderungen im Rahmen einer Verbesserung des politischen Systems ergeben, zeigte sich Stögmüller überzeugt. “Bestenfalls” endeten die Untersuchungsausschüsse in einem von breiter Mehrheit getragenem Maßnahmenpaket in diesem Sinne. 

Den von Klaus Führlinger kritisierten “parteipolitischen Narzissmus” sah NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak gerade bei der ÖVP walten, wenn sie als Reaktion auf einen gegen sie gerichteten Untersuchungsausschuss umgehend einen eigenen verlange. Genau dieses Verhalten schädige das Vertrauen in das politische System. Selbstverständlich könne auch eine Regierungspartei einen Untersuchungsausschuss verlangen, dieser dürfe jedoch nicht als “Retourkutsche” für eine “Schlammschlacht” missbraucht werden, mahnte Scherak. ÖVP, SPÖ und FPÖ hätten gleichermaßen ein “Korruptionsproblem” und seien daher an keiner wirklichen Aufklärung interessiert.

ROT-BLAUER MACHTMISSBRAUCH-UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Mit dem Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss will die Volkspartei die Regierungsbeteiligungen der SPÖ und der FPÖ in der Zeit von 11. Jänner 2007 bis 7. Jänner 2020 unter die Lupe nehmen, wobei es insbesondere um eine mögliche zweckwidrige Verwendung öffentlicher Gelder in von “roten” bzw. “blauen” Minister:innen geleiteten Ressorts geht. Konkret interessiert sich die ÖVP dabei für Inseratenschaltungen, Medienkooperationsvereinbarungen, Umfragen, Gutachten, Studien und andere Auftragsvergaben. Ebenso sind die Besetzung von Leitungspositionen in der Bundesverwaltung und bei ausgegliederten Rechtsträgern sowie etwaige staatsanwaltliche Ermittlungen Teil des – insgesamt sieben Beweisthemen umfassenden – Untersuchungsgegenstands. Der von der ÖVP verlangte Untersuchungsausschuss hat ebenfalls die COFAG zum Inhalt. Dabei interessiert die ÖVP-Fraktion, ob der SPÖ oder der FPÖ nahestehende natürliche oder juristische Personen aus “unsachlichen Gründen” über Steuerbegünstigungen, Steuernachlässe oder andere Begünstigungen bevorzugt behandelt worden sind.

Für Andreas Hanger (ÖVP) hat die konstruktive überparteiliche Zusammenarbeit zur technischen Vorbereitung der Untersuchungsausschüsse die Hoffnung genährt, dass die politische Kultur sich durch sachliche Kooperation verbessern könne, wie er im Plenum erklärte. Das parlamentarische Kontrollrecht gelte auch für die Regierungspartei ÖVP und diese hätte den Gegenstand des von ihr initiierten Untersuchungsausschusses klar definiert. Das von Kai Jan Krainer (SPÖ) bemängelte “Foul” im Rahmen des Beweisbeschlusses ließ Hanger nicht gelten, da keine gesetzliche Grundlage für die Einforderung der von SPÖ und FPÖ gewünschten Unterlagen bestehe.

Eva Maria Holzleitner (SPÖ) war es ein Anliegen, mit “professioneller und seriöser Aufklärungsarbeit” Schaden vom politischen System und insbesondere vom Instrument des Untersuchungsausschusses abzuwenden. Dieses dürfe nicht als “Schlammschlacht” abgewertet werden, gerade in einer Zeit, in der Demokratie und Parlamentarismus unter Druck stünden. Holzleitner stellte das Minderheitenrecht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, auch für die ÖVP nicht in Frage, bezweifelte aber die Verfassungsmäßigkeit des konkreten Verlangens der ÖVP. Dessen Untersuchungsgegenstand müsse sich auf einen bestimmten abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes beziehen, was jener des Rot-Blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss nicht tue, so Holzleitner.

Auch Christian Hafenecker (FPÖ) sah den Untersuchungsausschuss der ÖVP als verfassungswidrig an und konstatierte, dass dieser lediglich zu Ablenkung diene. Damit werde ein wichtiges Instrument der Demokratie missbraucht. Es sei jedoch gut, dass die ÖVP dafür den Weg eines Minderheitenrechts wähle, merkte Hafenecker an, da sie sich so besser auch ihre zukünftige Rolle im Parlament vorbereiten könne.

Grünen-Abgeordnete Meri Disoski appellierte an alle Fraktionen, den “wahren Geist des Untersuchungsausschusses” in den Mittelpunkt zu stelle und “Schlammschlachten” zugunsten von Kontrolle und Transparenz im Sinne der Bürger:innen hintanzustellen. Es sei das gute Recht beider Seiten einen Untersuchungsausschuss zu verlangen, erklärte Disoski, doch ließ sie deren Zeitpunkt – kurz vor den Europa- und den Nationalratswahlen – an der Ernsthaftigkeit der Intentionen zweifeln. Die Grünen würden sich jedenfalls in beiden Ausschüssen an einer seriösen Aufklärung der Vergangenheit beteiligen.

Eine seriöse Intention seitens ÖVP, SPÖ und FPÖ bezweifelte auch Michael Bernhard (NEOS) stark. Deren Anliegen sei nicht die wechselseitige Kontrolle, sondern die gegenseitige “Vernichtung”, was am Ende das ganze Land und das Ansehen der Politik betreffen werde. Als “große Sauerei” sah Bernhard, dass die ÖVP in ihrem Verlangen fordere, alle rund 200.000 Unternehmen, die Unterstützung durch die COFAG erhalten hätten, zu kontrollieren, ob sie in irgendeinem Verhältnis zu SPÖ oder FPÖ stünden. Die Unternehmer:innen würden dadurch als “Geiseln” genommen, so Scherak. Doch die NEOS würden diese Angriffe gegen die Unternehmer:innen bekämpfen. (Schluss Nationalrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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