Mitten drin von Anfang an: Inklusion beginnt im Kindergarten

Mitten drin von Anfang an: Inklusion beginnt im Kindergarten

_Am 6. Juni 2024 bringen Pädagog*innen, Eltern, Schüler*innen und Student*innen in ganz Österreich mit dem Aktionstag Bildung ihre Forderung auf den Punkt: eine umfassende Bildungsreform, die ein inklusives Aufwachsen und Lernen miteinander ermöglicht. Behindertenanwältin Christine Steger unterstützt diese Initiative und zeigt auf, warum ein modernes, inklusives Bildungssystem so wichtig ist._

Haben Sie Kinder? Dann haben Sie sich bestimmt schon das eine oder andere Mal mit der Frage beschäftigt, ob sie in Kindergarten und Schule gut betreut sind, ob man sie dort mit all ihren Eigenheiten schätzt, ihre Stärken fördert, ihnen die richtigen Werte und ausreichend Wissen vermittelt – kurz: ob sie alles bekommen, was sie für ein erfülltes, erfolgreiches und glückliches Leben später brauchen. Vielleicht können Sie sich auch noch an ihre eigene Kindheit erinnern: Haben Sie sich in der Gruppe mit anderen Kindern wohlgefühlt? Was haben Sie erlebt, wem sind Sie begegnet, was hat man Ihnen beigebracht, was haben Sie gelernt? Und, was am wichtigsten ist: Wie hat sich all das rückblickend auf Ihr weiteres Leben ausgewirkt?

ERNST DES LEBENS

Welche Erfahrungen wir machen, wie andere uns wahrnehmen und wie sie mit uns umgehen, prägt uns enorm. Es macht unser Selbstbild aus, wo wir unseren Platz in der Gesellschaft sehen und was wir uns selbst zutrauen – oder eben nicht. „Für Kinder mit Behinderungen bekommt man meist sehr schwer einen geeigneten Kindergartenplatz. In vielen Regionen Österreichs gibt es solche Plätze gar nicht. Wir wissen das von Eltern, die sich an die Behindertenanwaltschaft wenden. Die Kinder bekommen oft gar nicht die Chance, auf eine selbstverständliche Art und Weise gemeinsam mit anderen Kindern die Welt zu entdecken und hinein zu wachsen“, weiß Steger. Gleichzeitig nimmt man allen Kindern die Möglichkeit, das weite Spektrum an Eigenschaften von Menschen, ihren Gemeinsamkeiten und ihren Unterschieden kennenzulernen und einen selbstverständlichen Zugang dazu zu entwickeln. „So etwas ist entscheidend für die Zukunft – nicht nur jene von Einzelpersonen, sondern die der Gesellschaft als Ganzes“, so die Behindertenanwältin.    

UNGEBREMSTE KETTENREAKTION

Doch nicht nur das soziale Lernen bleibt auf der Strecke. Spätestens in der Schule kommt das Problem zum Tragen, dass geschultes Fachpersonal und passende Unterstützungsmaßnahmen fehlen, auf die Schüler*innen mit Behinderungen angewiesen sind, um den Lernstoff effizient zu erfassen und zu bewältigen. „Statt Schüler*innen mit Behinderungen faire Chancen in der gemeinsamen Schule zu verschaffen, hält man in Österreich nach wie vor an Sonderschulen fest“, kritisiert Christine Steger. Die Zahl der Schüler*innen, die Sonderschulen besuchen, ist nach einem Rückgang wieder im Steigen begriffen. In einigen Bundesländern ist sogar ein Ausbau der Sonderschulen im Gange. Für die Behindertenanwältin ist das ein untragbarer Zustand: „Schüler*innen mit Behinderungen vom Schulbesuch gemeinsam mit anderen systematisch auszuschließen, das ist absolut nicht zeitgemäß und ein grober Verstoß gegen die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen!“

WAS HÄNSCHEN NICHT LERNT …

Auch in der höheren Bildung setzen sich die Probleme fort, denn das Bewusstsein für Inklusion und die Motivation, ein inklusives Bildungssystem konsequent durchzusetzen, fehlen bei den Verantwortlichen bei Fachhochschulen und Universitäten genauso wie bereits bei Kindergarten und Schule. Außerdem haben Menschen mit Behinderungen an diesem Punkt ihres Lebens in vielen Fällen bereits Bildungsdefizite, die sie schwer oder gar nicht aufholen können. „Dafür ist einzig und alleine das Bildungssystem verantwortlich“, betont Behindertenanwältin Steger. „Den Menschen, die davon betroffen sind, kommt keine Schuld zu. Sie sind im Bildungsbereich in vielen Belangen massiv benachteiligt und müssen viel zu viel Zeit mit Kämpfen und Anstrengung um Dinge verbringen, die für alle anderen vollkommen selbstverständlich sind.“

HÖCHSTE ZEIT FÜR EINE REFORM

Das Bildungssystem muss dringend und grundlegend überarbeitet werden. Artikel 24 der von Österreich ratifizierten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen in diesem die notwendige Unterstützung geleistet wird und angemessene Vorkehrungen zu treffen, um einen gleichberechtigten Bildungszugang zu realisieren. Dazu müssen unbedingt alle Ressourcen bereitgestellt werden, die nötig sind, um einen chancengleichen Bildungsweg für alle zu ermöglichen. „Diskriminierung im Bildungsbereich wirkt sich oft auf das ganze restliche Leben aus und trägt wesentlich zur Ausgrenzung und Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen bei. Man muss das stoppen. Und das kann man auch: mit einer starken Überzeugung und den richtigen Maßnahmen“, ist Christine Steger überzeugt. 

Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen
Mag. (FH) Stephan Prislinger
+43171100-862223
stephan.prislinger@sozialministerium.at

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