Zukunft des Pensionssystems: Von Eigenverantwortung, Pensionssäulen und Altersarmut

Zukunft des Pensionssystems: Von Eigenverantwortung, Pensionssäulen und Altersarmut

Expert:innenforum des Bundesrats mit Podiumsdiskussion

Ein Expert:innenforum des Bundesrats widmete sich heute der Zukunft des Pensionssystems. Nach der Eröffnung und ersten Vorträgen (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 486/2025) analysierten drei weitere Expert:innen zentrale Fragen der Altersvorsorge in Zeiten des demographischen Wandels. Das Themenspektrum erstreckte sich von Eigenverantwortung über die Pensionssäulen bis hin zur Altersarmut. Anschließend wurde mit dem Publikum über Lösungsansätze für eine faire, nachhaltige und soziale Altersabsicherung diskutiert. Eingeladen zum Expert:innenforum hatte Bundesratspäsidentin Andrea Eder-Gitschthaler: Sie hob in ihren Abschlussworten die Notwendigkeit hervor, im Sinne eines „enkeltauglichen“ Pensionssystems gemeinsam langfristig zu denken.

HOLZINGER: EIGENVERANTWORTUNG MIT KLUGEN STAATLICHEN IMPULSEN

Steuerberaterin und Buchautorin Christiane Holzinger hielt ihren Vortrag zum Thema „Vom Taschengeld zum Vermögensaufbau: Bildung als Schlüssel zur Generationsfairness“. Sie berichtete von ihrer eigenen Erfahrung, schon als Kind einen positive Umgang mit Geld erlebt zu haben und sprach sich dafür aus, Finanzbildung schon ganz am Anfang in den Unterricht zu integrieren. Es gehe hier auch darum, Ängste loszuwerden und Eigenverantwortung zurückzuholen.

Zudem werde das Thema der betrieblichen Vorsorge unterschätzt, hier könne man viel von anderen Ländern lernen. Altersvorsorge müsse aus ihrer Sicht flexibel, einfach, unkompliziert aber auch innovativ sein, damit es auch Unternehmer:innen Spaß mache, sich damit zu beschäftigen. Die Idee des Sparens sei gut, das Sparschwein sei ihr erster Schritt in Richtung finanzieller Eigenverantwortung gewesen, so Holzinger. Es reiche aber als Symbol im Hinblick auf Altersvorsorge nicht aus. Vielmehr brauche es neben einem positiven Zugang zu Geld ein richtiges „Money-Mindset“ und ein Verständnis für Investitionen und finanzielle Eigenverantwortung. Der Staat komme dabei nicht als Retter, sondern als Kooperationspartner ins Spiel. Er sollte ihr zufolge die Rahmenbedingungen schaffen, sodass es Lust mache, sich mit Geld, Finanzen und Investitionen zu befassen, so Holzinger. Es brauche insgesamt ein Steuersystem, das Investitionen belohne, eine Bildungspolitik, die Investitionen verständlich mache, und eine Pensionspolitik, die Mut zur Eigenvorsorge mit der Stabilität des Staates verbinde. Es brauche Eigenverantwortung gepaart mit klugen staatlichen Impulsen, zeigte sie sich überzeugt.

KÖPPL-TURYNA: AUSGEWOGENE MISCHUNG AUS DREI SÄULEN

Den Fokus auf den Arbeitsmarkt und das Pensionseintrittsalter legte EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna. Sie wies eingangs darauf hin, dass dazu auch die Budgetkonsolidierung eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahre bleiben werde. Die Pensionsausgaben des Staates würden weiter anwachsen, so Köppl-Turyna. Sie stellte dazu einige Ansätze vor, wie das System finanzierbar bleiben könne. So zeige sich unter anderem, dass eine Erhöhung des Antrittsalters eins zu eins zu einer Erhöhung der Beschäftigung führe. Darüber hinaus hätten Studien erhoben, dass längeres Arbeiten auch gesundheitsfördernd sein könne. Das enorme Arbeitskräftepotential sei außerdem wichtig für die Wirtschaftsleistung, so die Expertin.

Das Vorhaben der Bundesregierung zur Verschärfung der Korridorpension bezeichnete sie als „unambitioniert“, zumal es an der Nachhaltigkeit nicht viel ändere. Den geplanten Nachhaltigkeitsmechanismus erachtet sie für eine Verantwortungsverschiebung. Im internationalen Vergleich zeige sich, dass jene Länder im Pensionssystem am erfolgreichsten seien, die bei den drei Säulen der Pension eine ausgewogene Mischung hätten. An Beispielen nannte sie etwa einen Automatismus im System, mit dem die Beträge an die Lebenserwartung angepasst würden. In Österreich gelte es, auch darüber nachzudenken, mehr Balance im System zu bekommen. Es gehe dabei um eine umlagefinanzierte und kapitalgedeckte erste Säule und eine betriebliche und private zweite Säule. Zu bedenken gab Köppl-Turyna auch, dass das Pensionssystem per se ein Versicherungssystem sei und damit die Rolle habe, Risiko auszugleichen. Soziale Ungleichheiten müssten hingegen im Sozialsystem geregelt werden.

MAYRHUBER: „GAPS, GAPS, GAPS“ IM HINBLICK AUF FRAUENARMUT

Ökonomin und stellvertretende WIFO-Direktorin Christine Mayrhuber widmete ihren Vortrag dem Thema Altersarmut als Herausforderung unserer Gesellschaft. Dabei sei die Altersarmut, konkret jene der Frauen, die Spitze des Eisbergs struktureller Ungleichheiten, die sich über das gesamte Leben ziehen. Wenn man das Alterssicherungssystem weiterentwickeln wolle, müssten daher auch soziale Komponenten mitgedacht werden, so Mayrhuber. Bei Frauen würden sich „Gaps, Gaps, Gaps“ in vielen Bereichen zeigen. So gebe es einen Gap bei den Erwerbseinkommen, wobei sie hier die Teilzeit sogar als einen positiven Effekt auf die Flexibilität des Arbeitsmarktes wertete: Besser Teilzeit als gar keine Beschäftigung, besser eine kleine Pension als gar keine, meinte sie. Dazu komme bei Frauen der Gap bei unbezahlter Sorgearbeit, am Bildungsweg oder auch bei Gestaltungsmöglichkeiten, da Frauen wenig in Entscheidungsfunktionen integriert seien.

Der Pensionsgap bei Frauen sei insgesamt besorgniserregend, da viele unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen, also nur geringe Pensionen bekommen. Der größte Einflussfaktor auf den Pensionsgap sei das Erwerbseinkommen, ein weiterer die geringere Versicherungsdauer, so die Expertin. Eine Studie aus Deutschland zeige außerdem, dass gleiche Tätigkeiten unterschiedlich entlohnt würden. Um Altersarmut entgegenzuwirken, sind aus Sicht von Mayrhuber viele strukturelle Komponenten wie etwa in der Bildung, am Arbeitsmarkt, im Sorgebereich, im Pensionssystem und bei der Partizipation zu berücksichtigen.

STIMMEN AUS DEM PUBLIKUM

In der anschließenden Diskussion, bei der neben Mayrhuber, Köppl-Turyna und Holzinger auch der Arbeits- und Sozialrechtsexperte Rudolf Mosler, Universitätsprofessor an der Universität Salzburg, und der Ökonom Thomas Url am Podium saßen, meldete sich unter anderem NEOS-Sozialsprecher Johannes Gasser zu Wort. Die große Frage sei für ihn, wie die Regierung den geplanten Nachhaltigkeitsmechanismus gut gestalten könne, sagte er. Es sei wichtig, das sozial treffsicher, aber auch ökonomisch sinnvoll zu machen.

ÖVP-Bundesrat Franz Ebner wies darauf hin, dass sich seiner Erfahrung nach in Österreich viele Menschen für den frühestmöglichen Pensionsantritt entscheiden. Um Frauenarmut im Alter zu bekämpfen, brachte er das automatische Pensionssplitting ins Spiel. Klaudia Frieben, Vorsitzende des österreichischen Frauenrings, regte an, wieder über das Thema Wertschöpfungsabgabe zur Finanzierung des Pensionssytems zu diskutieren. Alle Kapitaleinkommen sozialversicherungspflichtig zu machen, dafür sprach sich Michael Graber vom Zentralverband der Pensionisten aus. Rudolf Mayrhofer von den NEOS drängte darauf, junge Menschen stärker für die Themen Finanzbildung und Pensionen zu sensibilisieren.

UNTERSCHIEDLICHE ZUGÄNGE DER EXPERT:INNEN ZUM AUTOMATISCHEN PENSIONSSPLITTING

In Beantwortung der Fragen hielt Köppl-Turyna fest, dass man aus ihrer Sicht beim Nachhaltigkeitsmechanismus drei Möglichkeiten habe, wobei sie zwei Stellschrauben – Beitragserhöhungen und Pensionskürzungen – für nicht wirklich zielführend hält. Beide würden sich negativ auf das Konsumverhalten auswirken, zudem liege Österreich bei den Beiträgen ohnehin schon in den „TOP 5“ in Europa. Dritte Möglichkeit ist für sie die Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Als tatsächlich problematisch wertete Köppl-Turyna die private Pensionsvorsorge in Österreich: Durch die starke Regulierung würde diese nicht gut performen und schwache Renditen abwerfen.

Unterschiedlich wurde von den Expert:innen das automatische Pensionssplitting beurteilt, das sich – anders als unter der schwarz-grünen Regierung – nicht mehr im Regierungsprogramm findet. Während sich Url als Verfechter eines Automatismus bezeichnete, weil es, wie er meinte, innerfamiliär nicht möglich sei, darüber zu verhandeln, haben Köppl-Turyna und Mayrhuber dazu eine „ambivalente“ Haltung. Ein automatisches Pensionssplitting würde zwar einen Diskurs zwischen Frauen und Männern anregen, meinte Mayrhuber, zur Reduzierung von Altersarmut sei es aber kein geeignetes Instrument. Vielmehr sei eher eine Umverteilung von arm zu arm zu erwarten. Skeptisch äußerte sich zu dieser Frage auch Mosler: Ein Automatismus wäre seiner Meinung nach ein massiver Eingriff ins Familienleben.

MAYRHUBER: STÄNDIGE ÄNDERUNGEN UNTERMINIEREN VERTRAUEN INS PENSIONSSYSTEM

Was das Thema Nachhaltigkeitsmechanismus betrifft, schlug Url „eine Kombination aus Kontoprozentsatz und Antrittsalter“ vor. Eine Einbeziehung von Kapitalgewinnen in das Pensionssystem sieht er kritisch, da man dadurch auch höhere Pensionsansprüche schaffe. Url glaubt in diesem Sinn nicht, dass das ein Beitrag zur Stabilisierung des Pensionssystems wäre.

Mayrhuber gab zu bedenken, dass es unterschiedliche Antworten darauf gebe, was ein nachhaltiges Pensionssystem sei, je nachdem „ob man die „Budgetbrille oder die Armutsbrille aufhat“. Sie vermisst eine grundsätzliche politische Diskussion über diese Frage. Ihrer Ansicht nach unterminiert die Kurzfristigkeit von Reformen außerdem das Vertrauen in das Pensionssystem. Das ständige „Hü und Hott“ – zum Beispiel Abschläge ja, Abschläge nein – sei nicht vorteilhaft. Den Anteil des Lohnsteueraufkommens, der auf Pensionist:innen fällt, bezifferte sie auf eine entsprechende Frage mit einem Viertel.

Um Menschen zu bewegen, später in Pension zu gehen, könnten nach Meinung von Mosler altersgerechte Arbeitsplätze ein wichtiger Beitrag sein. Skeptisch äußerte er sich zu kapitalgedeckten Pensionssystemen, wobei, wie er meinte, niemand daran gehindert sei, privat vorzusorgen, wenn er das nötige Kapital dafür habe. Das könne eine sinnvolle Ergänzung zum staatlichen Umlagensystem sein.

Christiane Holzinger berichtete aus der Praxis, dass, wenn Unternehmen flexibel seien und Frauen anbieten, ihre Arbeitszeit vorerst einmal probeweise um fünf oder zehn Stunden zu erhöhen, die meisten Frauen dann bei den höheren Arbeitsstunden bleiben würden.

EDER-GITSCHTHALER MAHNT LANGFRISTIGES DENKEN EIN

Das Schlusswort gehörte wieder Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler, die sich bei den Referent:innen für die „großartigen Beiträge“ bedankte. Jetzt liege es an der Politik, daraus etwas zu machen. Man müsse gemeinsam langfristig denken, sagte sie. Bedauern äußerte Eder-Gitschthaler darüber, dass nur wenige junge Menschen zum Expert:innenforum gekommen waren, schließlich sei das Thema Pensionen kein „Pensionistenthema“, sondern ein gesellschaftspolitisches, das auch Junge betreffe. Es gehe um ein „enkeltaugliches System“. (Schluss Expert:innenforum Bundesrat) mbu/gs

HINWEIS: Das Expert:innenforum wurde live in der Mediathek des Parlaments übertragen und ist als Video-on-Demand verfügbar. Fotos von der Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.

————————-

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
www.parlament.gv.at/Parlamentskorrespondenz

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender