Wer sich für eine wichtige öffentliche Funktion bewirbt, muss entsprechend viel Kritik aushalten

Wer sich für eine wichtige öffentliche Funktion bewirbt, muss entsprechend viel Kritik aushalten
Der Senat 3 des Presserats bewertete mehr als 30 Beiträge in der „Kleinen Zeitung“ und auf „kleinezeitung.at“. Der Anlass war eine Beschwerde eines gescheiterten SP-nahen Kandidaten für den Posten des Magistratsdirektors der Landeshauptstadt Klagenfurt.
Der Beschwerdeführer beanstandete u.a., dass mehrfach über seine Freundschaft zum damaligen Klagenfurter SPÖ-Vizebürgermeister sowie über eine frühere gemeinsame Firma berichtet wurde, anstatt auf seine Qualifikationen einzugehen, die dazu geführt haben, dass er als Erstgereihter aus dem Bewerbungsverfahren für den Posten des Magistratsdirektors hervorgegangen sei.
Aus medienethischer Sicht war diese Berichterstattung unbedenklich. Für die Öffentlichkeit ist es relevant, über etwaige Freundschaften und eine frühere gemeinsame Firmenbeteiligung zwischen einem Bewerber für eine hohe Funktion in der Verwaltung und einem hochrangigen Stadtpolitiker, der an der Postenvergabe für diese Funktion beteiligt ist, zu berichten.
Der Beschwerdeführer qualifizierte darüber hinaus die Veröffentlichung eines Urlaubsfotos, das ihn zusammen mit Ex-SPÖ-Vizebürgermeister und dessen Nachfolger zeigt, als Privatsphärenverletzung.
Die Veröffentlichung dieses Fotos war im vorliegenden Fall medienethisch gerechtfertigt. Den Betrachterinnen und Betrachtern wurde damit verdeutlicht, dass zwei führende Kärtner SPÖ-Politiker auch ein enges privates Verhältnis zu dem Beschwerdeführer pflegen. Das ist umso relevanter, als der Beschwerdeführer die Freundschaft insbesondere zum damaligen SPÖ-Vizebürgermeister und seine Verbindungen zur SPÖ-Kärnten in der Öffentlichkeit eher heruntergespielt hatte.
In mehreren Artikeln berichteten die „Kleine Zeitung“ und „kleinezeitung.at“ darüber, dass der Beschwerdeführer seinen Bestellungsantrag selbst geschrieben haben soll und dass er im Interview auf „kleinezeitung.at“ bzw. für den Podcast „DIE CAUSA“ die Unwahrheit gesagt habe (in manchen Artikeln ist auch von einem „Schwindel“ die Rede). Als er im Interview darauf angesprochen wurde, dass er dem Bürgermeister versichert habe, mit 8.000 Euro Gehalt einverstanden zu sein, die SPÖ Klagenfurt aber mit einem Antrag vorgeprescht sei, wonach er 11.000 Euro verdienen solle, antwortete er: „Was im Antrag der SPÖ steht, wusste ich nicht. Wenn die 8.000 Euro die korrekte Einstufung sind, dann ist es so.“ Der Beschwerdeführer betont, hier lediglich gesagt zu haben, dass er das für ihn vorgesehene Gehalt nicht kenne, nicht hingegen, dass er den Antrag insgesamt nicht kenne. Zudem machte er auch noch geltend, dass er nicht – wie in den Artikeln festgehalten wurde – der „Autor“ des Antrags gewesen sei, sondern bloß ein „Bearbeiter“.
Nach Auffassung des Senats ist es nicht relevant, ob der Beschwerdeführer (Erst-)Autor oder letzter Bearbeiter des Antrags ist. Der Beschwerdeführer hatte offenbar die Möglichkeit, den eigenen Bestellungsantrag zu verändern. Als Bearbeiter ist er jedenfalls auch Mitautor des Antrags. Dass der für eine wichtige öffentliche Funktion ausgewählte Kandidat am eigenen Bestellungsantrag mitarbeitet, ist ein ungewöhnlicher Vorgang und demokratiepolitisch fragwürdig. Ohne ein besonderes Naheverhältnis zur SPÖ wäre das dem Beschwerdeführer wohl nicht ermöglicht worden. Die Allgemeinheit darüber zu informieren, liegt im öffentlichen Interesse, so der Senat weiter. Dass es sich um ein politisch bedeutsames Thema handelt, lässt sich auch daraus schließen, dass der Beschwerdeführer nach Bekanntwerden des Vorgangs den Posten als Magistratsdirektor nicht bekommen hat.
Der Senat hat den Eindruck, dass der Beschwerdeführer es ursprünglich gegenüber den Medien verschleiern wollte, dass er den Bestellungsantrag zugespielt bekommen und selbst bearbeitet hatte. Im Interview auf „kleinezeitung.at“ kann die Antwort des Beschwerdeführers im spezifischen Kontext mehrdeutig interpretiert werden. Die Antwort lässt sich entweder auf die Unkenntnis des Bestellungsantrags per se oder auf die Unkenntnis der Höhe des im Antrag vorgesehenen Gehalts beziehen. Nach Meinung des Senats spielt es im vorliegenden Fall allerdings keine Rolle, worauf man das bezieht. Der Beschwerdeführer hatte jedenfalls Kenntnis zumindest von der ungefähren Höhe der vorgesehenen Entlohnung. Im Antrag wurden die Dienstklasse neun sowie Angaben zur Anrechnung von Vordienstzeiten und zu einer Verwendungszulage angeführt. Dem Senat erscheint es lebensfremd, dass der Beschwerdeführer aus diesen Angaben nicht (zumindest in etwa) sein zukünftiges Gehalt ableiten kann.
Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer im Interview mit dem Podcast „DIE CAUSA“ die Frage, ob er davor mit der SPÖ über den Antrag gesprochen habe, verneint. In der Verhandlung vor dem Senat hielt er jedoch fest, dass er den Antrag, der im Auftrag des SPÖ-Gemeinderatsklubs Klagenfurt erstellt worden war, informell vom SPÖ-nahen Magistratsdirektor der Stadt Villach erhalten und bearbeitet hatte. Es hatte also Kontakt zwischen der SPÖ Klagenfurt und dem Beschwerdeführer gegeben. Dass der SPÖ-nahe Villacher Magistratsdirektor zwischengeschaltet worden war, ist nach Auffassung des Senats nicht von Belang. Dem Beschwerdeführer war seitens der SPÖ – wie bereits oben ausgeführt – sogar die Möglichkeit eingeräumt worden, den Bestellungsantrag abzuändern.
Vor diesem Hintergrund ist es aus medienethischer Sicht legitim, dass die „Kleine Zeitung“, „kleinezeitung.at“ und der Podcast „DIE CAUSA“ berichtet haben, dass der Beschwerdeführer die Unwahrheit gesagt und es sich um einen „Schwindel“ gehandelt habe. Der Sachverhalt wurde korrekt eingeordnet, eine Persönlichkeitsverletzung liegt nach Meinung des Senats nicht vor.
In zahlreichen weiteren Artikeln wird der Begriff „Falschaussage“ für das Verhalten des Beschwerdeführers verwendet. Der Beschwerdeführer monierte, dass ihm dadurch zu Unrecht ein strafbares Verhalten unterstellt werde.
Der Senat kann es bis zu einem gewissen Grad nachempfinden, dass es bei einem Teil der Leserinnen und Lesern zu Missverständnissen gekommen ist. Der genaue Straftatbestand des § 288 StGB hat allerdings die Überschrift „Falsche Beweisaussage“. Außerdem hatte die „Kleine Zeitung“ und „kleinezeitung.at“ in zahlreichen zuvor veröffentlichten Artikeln genau beschrieben, worum es im Fall des Beschwerdeführers geht. Einem Großteil der Leserinnen und Leser ist der genaue Sachverhalt demnach bekannt. Ferner kommt das Thema „falsche Angaben des Beschwerdeführers im Interview“ in den hier zu beurteilenden Artikeln lediglich am Rande vor.
Auch wenn es zwischen den Begriffen „falsche Beweisaussage“ im strafrechtlichen Sinn und „Falschaussage“ ein gewisses Naheverhältnis gibt, erkennt der Senat hier noch nicht auf einen Verstoß gegen den medienethischen Grundsatz, gewissenhaft und korrekt zu berichten. Dennoch empfiehlt der Senat für die Zukunft, bei der Verwendung von Begriffen darauf zu achten, dass es zu keinen Missverständnissen mit Delikten aus dem Strafrecht kommt.
Schließlich beanstandete der Beschwerdeführer auch noch einen Kommentar, in dem er als „schlechter Verlierer“ bezeichnet wird, weil er sich an die Gleichbehandlungskommission gewendet hatte. Der Senat weist darauf hin, dass der Autor der Kommentare nicht in der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Allgemeinheit jeder Bürgerin oder jedem Bürger unterstellt, kein Format zu haben, wenn sie oder er sich an die Gleichbehandlungskommission wendet. Es geht vielmehr ganz konkret um die Person des Beschwerdeführers, gegen den sich der Vorwurf richtet. Eine abschreckende Wirkung gegenüber anderen Personen (gleichgültig welchen Geschlechts), die sich überlegen, sich an die Gleichbehandlungskommission zu wenden, weist der Artikel – so wie vom Beschwerdeführer behauptet – nicht auf. Nach Auffassung des Senats ist der Kommentar weder männer- noch frauendiskriminierend im Sinne des Punkt 7 des Ehrenkodex.
Der Beschwerdeführer muss als Person, die sich für eine wichtige öffentliche Position beworben hat und während des Bewerbungsprozesses unvorteilhaft verhalten hat, einen derartigen Kommentar hinnehmen. Der Kommentar ist klar von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt, eine Persönlichkeitsverletzung ist für den Senat nicht ersichtlich.
Zusammenfassend hält der Senat fest, dass durch die beanstandeten Artikel keine schutzwürdige Position des Beschwerdeführers verletzt wurde. Die Entscheidungen und Beschlüsse in der Langversion finden Sie auf www.presserat.at.
BESCHWERDEVERFAHREN
_Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig._
_Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Beschwerde eines Betroffenen ein Verfahren durch (Beschwerdeverfahren). In diesem Verfahren ist der Presserat ein Schiedsgericht iSd. Zivilprozessordnung._
_Die Beschwerdeführer sowie die Medieninhaberin der „Kleinen Zeitung“ haben die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt._
Österreichischer Presserat, Sprecherin des Senats 3
Christa Zöchling
Telefon: +43 – 1 – 23 699 84 – 11
E-Mail: info@presserat.at
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