Haftbedingungen, EMRK und Messenger-Überwachung im Fokus der Aussprache mit Justizministerin Sporrer im Menschenrechtsausschuss

Haftbedingungen, EMRK und Messenger-Überwachung im Fokus der Aussprache mit Justizministerin Sporrer im Menschenrechtsausschuss

Sporrer sieht keinen Anlass zur Ausweitung der Pläne zur Messenger-Überwachung

Die Situation in Österreichs Haftanstalten, die Diskussion rund um die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie die kürzlich vorgestellten Pläne zur Messenger-Überwachung waren einige der Themen in der heutigen Aktuellen Aussprache mit Justizministerin Anna Sporrer im Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft. Für die Justizministerin steht etwa die EMRK nicht zur Debatte. Zudem sprach sich Sporrer gegen Rufe nach einer Ausweitung der Messenger-Überwachung über terroristische Bedrohungen hinaus aus.

DISKUSSION UM WEITERENTWICKLUNG DER EMRK

Sie stelle die in Österreich in Verfassungsrang stehende EMRK nicht in Frage, betonte Justizministerin Anna Sporrer in der Aussprache gegenüber Christian Oxonitsch (SPÖ), Agnes Sirkka Prammer (Grüne) und Reinhold Maier (FPÖ). Die Abgeordneten hatten die Diskussion auf europäischer Ebene rund um eine Weiterentwicklung angesprochen. Die Menschenrechte würden universell gelten und man könne nicht bestimmte Menschengruppen davon ausschließen, warnte Sporrer. Die von einigen Ländern angedachte interpretative Erklärung bedürfe der Zustimmung aller 47 Mitgliedsstaaten des Europarats. Für EMRK-Fragen sei zudem der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts zuständig.

Zum von Martina Diesner-Wais (ÖVP) ins Spiel gebrachten Beitritt der EU zur EMRK, erklärte die Ministerin, dass sie einen solchen unterstütze, da dies das Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit stärke. Es gehe darum, dass auch die EU-Organe an die EMRK gebunden seien.

SITUATION IN DEN HAFTANSTALTEN

Mehrere Abgeordnete sprachen die Bedingungen in den österreichischen Haftanstalten an. So interessierte sich Christian Lausch (FPÖ) für Maßnahmen gegen die Hitze in den Sommermonaten und Möglichkeiten, Häftlingen in den Urlaubsmonaten Juli und August trotz Personalmangels das Recht auf Arbeit zu ermöglichen. Gemeinsam mit der Bundesimmobiliengesellschaft, versuche man treffsichere Maßnahmen gegen die Hitze zu erstellen, antwortete ein Experte des Justizressorts. Abhilfe könne man auch durch längere Aufenthalte im Freien schaffen. Bei Neubauten würden zudem wärmeregulierende Maßnahmen mitgedacht werden. Was die Beschäftigung von Häftlingen betrifft, versuche man etwa durch Dienstplanoptimierungen Personalressourcen besser einzusetzen, so der Vertreter des Ministeriums.

Zu den laut FPÖ-Abgeordneten Lausch angesprochenen medialen Berichten über Probleme in der neuen Jugendstrafanstalt Münnichplatz hielt die Justizministerin fest, dass viele Vorwürfe nicht zutreffen würden. Die Einrichtung sei ein „Vorzeigeprojekt“, in dem es um „Resozialisierung vom ersten Tag an“ gehe. So könnten Jugendliche dort ihren Schul- oder Lehrabschluss absolvieren, um auf ein Leben nach der Haft vorbereitet zu sein. Sie sehe einem angekündigten Prüfverfahren der Volksanwaltschaft ohne Bedenken entgegen, so Sporrer. Es sei genug Platz und Personal vorhanden, um bis zum Ende des Jahres die Belagszahlen von 20 auf 60 Jugendliche zu steigern.

Romana Deckenbacher (ÖVP) sprach die Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten an. Dies sei eine „wichtige Frage“, da auch Personen in Haft ein Recht auf den Zugang zu Gesundheitsversorgung hätten, so die Justizministerin. Dafür seien vor allem die Anstaltsärzt:innen zuständig. Größere Anstalten hätten zudem eigene medizinische Abteilungen mit Bettenstationen.

Haft in der Heimat sei für die Entlastung der Gefängnisse und für die Resozialisierung der Häftlinge wichtig, betonte Sporrer gegenüber Alois Schroll (SPÖ). Es seien mehrere Projekte „am laufen“, um Haft im Heimatland zu forcieren. Immerhin seien über 50 % der Insassen Nicht-Österreichische Staatsbürger:innen. Mit Nicht-EU-Ländern gestalte sich eine Rückführung aber deutlich schwieriger, weshalb man auf internationaler Ebene an Rückführungsabkommen, etwa mit Serbien, arbeite.

Zum von Michael Bernhard (NEOS) thematisierten Maßnahmenvollzug hielt ein Vertreter des Ministeriums fest, dass es durch ein Verdreifachung der Zahlen in den letzten 20 Jahren große Herausforderungen gebe. So hätten 90 % der Untergebrachten eine „Vorgeschichte in der Psychiatrie“ und der Maßnahmenvollzug sei „die letzte Anlaufstelle“. Durch das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz habe man moderne Standards eingeführt, man sei laufend dabei, Verbesserungen umzusetzen, so der Experte. Dem wie überall im Gesundheitsbereich vorherrschenden Fachpersonalmangel versuche man etwa durch Gehaltssteigerungen entgegenzuwirken.

Was den von Rudolf Silvan (SPÖ) und Michael Bernhard (NEOS) angesprochenen Bereich der Erwachsenenvertretung betrifft, kündigte die Justizministerin die Vorlage eines Gesetzesantrags an, der die Möglichkeit enthalten soll, dass Betroffene künftig von sich aus eine Überprüfung ihrer Situation – ein sogenanntes Clearing – veranlassen können sollen. Zudem soll laut Sporrer die Übernahme der Erwachsenenvertretung durch Rechtsanwält:innen oder Notar:innen „ein Ablaufdatum haben“. Diese seien etwa in sozialpsychologischen Fragen nicht die richtigen Ansprechpartner:innen.

SPORRER GEGEN EINE AUSWEITUNG DER MESSENGER-ÜBERWACHUNG

Die von der Bundesregierung kürzlich vorgestellte Einigung zur Messenger-Überwachung habe nichts mit dem Bundestrojaner zu tun, erklärte Sporrer in Richtung der Grünen Abgeordneten Agnes Sirkka Prammer und Süleyman Zorba. Es gehe um eine Gefährderüberwachung mit einer Obergrenze von 30 Anwendungen pro Jahr, die von einem dreiköpfigen Senat genehmigt werden müsse. Begleitend soll es neue Strafbestimmungen für eine missbräuchliche Anwendung geben. Sporrer sprach sich gegen eine Ausweitung auf strafrechtliche Ermittlungen aus. Es gehe nun darum, den gefundenen Kompromiss der Koalitionsparteien umzusetzen.

WEITERE THEMEN: LEIHMUTTERSCHAFT, KONVERSIONSMASSNAHMEN-, GEWALT- UND KINDERSCHUTZ, MENSCHENHANDEL

In Österreich sei Leihmutterschaft verboten. Dies solle auch weiterhin so bleiben, hielt die Ressortchefin gegenüber Margreth Falkner (ÖVP) fest. Auch wenn der Kinderwunsch von Paaren verständlich sei, dürften Kinder nicht zur Ware werden und müssten Frauen vor Ausbeutung geschützt werden.

Federführend bei den Plänen zu einem Konversionsmaßnahmenschutzgesetz sei das Gesundheitsministerium, so die Ministerin zu Elisabeth Heiß (FPÖ). Dabei gehe es darum, dass Jugendliche nicht zu früh zu einer Umwandlung des Geschlechts gedrängt würden. Die Rolle des Justizressorts sei dabei etwa auf Fragen der Obsorge und der gerichtlichen Strafbestimmungen beschränkt.

SPÖ-Mandatarin Pia Maria Wieninger fragte nach Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen. Eine Weiterentwicklung sei aufgrund neuer Bedrohungen durch das Internet wichtig, betonte die Justizministerin, die auf eine dazu gerade in Abstimmung befindliche EU-Richtlinie verwies. Dabei gehe es etwa um erweiterte Straftatbestände, einen verbesserten Opferschutz sowie die Koordinierung zwischen den Mitgliedsstaaten.

Bernhard Höfler (SPÖ) interessierte sich für Maßnahmen des Justizressorts zur Verbesserung des Gewaltschutzes. Der Bundesregierung sei die Weiterentwicklung von Gewaltschutzstrategien ein großes Anliegen, antwortete die Ministerin. Ihr Ressort sei etwa bei der Erstellung des Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen aktiv beteiligt. Zudem sei die Ausrollung von Gewaltschutzambulanzen als erste Anlaufstelle für Opfer von Gewalt wichtig. Neben den bisherigen Stellen in Wien und Graz arbeite man an einer Ausweitung in den westlichen Bundesländern.

Sie sei sich des Problems des zweisprachigen juristischen Nachwuchses in Kärnten bewusst und habe dazu bereits Gespräche mit dem Kärntner Landeshauptmann geführt, hielt Sporrer gegenüber Olga Voglauer (Grüne) fest. Die Mandatarin hatte die dazu im Justizressort eingesetzte Arbeitsgruppe angesprochen.

Michael Schilchegger (FPÖ) fragte nach dem Stand zu angekündigten Normverdeutlichungsgesprächen für strafunmündige Jugendliche. Diese liegen laut Sporrer im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums. Dasselbe gelte für die Kriminalitätsprävention. Was ihr Ressort betrifft, sah die Ministerin dazu Ansatzpunkte im Strafvollzug. Dabei gehe es um die Verhinderung der Rückfälligkeit nach dem Ende der Haft. (Fortsetzung Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft) med

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