Nationalrat: Kontroverse Debatte über Neutralität und Sicherheitsstrategie
Nationalrat: Kontroverse Debatte über Neutralität und Sicherheitsstrategie
FPÖ legt 5-Punkte-Plan vor, Grüne drängen auf Einbindung des Parlaments
Mit den Themen Neutralität und Sicherheitsstrategie fand die heutige Debatte über die Ausgestaltung der österreichischen Landesverteidigung ihre Fortsetzung im Nationalrat. Ausgangspunkt dafür war unter anderem eine Initiative der FPÖ mit dem Titel „5-Punkte-Plan zum Schutz der Neutralität“, die im Ausschuss jedoch keine Mehrheit fand. Darin forderten die Freiheitlichen die Bundesregierung auf, sich wieder auf die immerwährende Neutralität zu besinnen und sich entsprechend außenpolitisch zu verhalten.
Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS wurde hingegen ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien angenommen, in dem die Regierung ersucht wird, ihre sicherheitspolitischen Prioritäten rasch in die Überarbeitung der österreichischen Sicherheitsstrategie zu integrieren. Darauf drängten auch die Grünen in einem Antrag, der aber keine Mehrheit fand. Es brauche einen klaren Zeitplan und eine verstärkte Einbindung des Parlaments, forderte David Stögmüller (Grüne).
FPÖ: „WIEDERHERSTELLUNG DER NEUTRALITÄT“ AUF BASIS EINES 5-PUNKTE-PLANS
Die österreichische Neutralität, die am 26. Oktober 1955 in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz beschlossen wurde, sei nicht mehr und nicht weniger als die „DNA der Republik“, zeigte sich der freiheitliche Mandatar Axel Kassegger überzeugt. Um von anderen Ländern als neutraler Staat wahrgenommen zu werden, brauche es aber mehr als Willensbekundungen und Resolutionen, nämlich auch ein entsprechendes Verhalten. Da dies nach Auffassung der Freiheitlichen in den letzten Jahren nicht mehr der Fall gewesen sei, habe seine Fraktion einen 5-Punkte-Plan ausgearbeitet, der das Ziel verfolge, die „Neutralität wiederherzustellen“. Dieser umfasse unter anderem das Prinzip „Vermitteln statt Sanktionen“, wobei Österreich auf eine jahrzehntelange Tradition zurückgreifen könne, machte Kassegger geltend.
Wichtig sei den Freiheitlichen auch, dass die Wirtschaft nicht „politisiert“ und dass kein Kriegsgerät durch Österreich transportiert werden dürfe. Außerdem würden die Daten immer klarer zeigen, dass die Sanktionen gegenüber Russland nur der europäischen Wirtschaft selbst schaden und somit ein „Schuss ins eigene Knie“ seien. Kritik übte Kassegger auch daran, dass Österreich nicht die „irische Klausel“ nutze und stattdessen alle EU-Maßnahmen mittrage. Im Sinne der militärischen Landesverteidigung sei es zudem notwendig, das Bundesheer mit ausreichenden Mitteln auszustatten. Österreich sollte sich zumindest an den NATO-Standard annähern und 2 % des BIP dafür aufwenden, schlug er im Konkreten vor.
Auch Michael Gmeindl (FPÖ) vertrat die Auffassung, dass die österreichische Neutralität, die das Land seit Jahrzehnten geschützt habe, schrittweise untergraben werde. Er ging noch einmal detailliert auf den 5-Punkte-Plan seiner Fraktion ein und hob vor allem hervor, dass es „weniger EU-Gefolgschaft und mehr Selbstbestimmung“ brauche. Das „Geschwurbel“ der Einheitspartei zur Neutralität „bereite ihm körperliche Schmerzen“, konstatierte FPÖ-Abgeordneter Christofer Ranzmaier, der abermals auf die Beachtung der „irischen Klausel“ pochte. Volker Reifenberger (FPÖ) vermisste eine glaubwürdige Neutralitätspolitik und warf der Außenministerin vor, schon öfters in Kiew zu sein als im österreichischen Parlament. Außerdem übte er Kritik an der mangelnden Einbindung des Parlaments bei der Ausarbeitung der Sicherheitsstrategie.
ÖVP: SICHERHEITSSTRATEGIE SCHAFFT KLARHEIT IN DEN BEREICHEN VERTEIDIGUNGS-, SICHERHEITS- UND AUSSENPOLITIK
Die Neutralität sei fest in der Identität der Österreicherinnen und Österreicher verankert, betonte auch Friedrich Ofenauer (ÖVP). Durch den Beitritt zur Europäischen Union vor 30 Jahren seien Anpassungen notwendig gewesen, um den außen- und sicherheitspolitischen Verpflichtungen nachzukommen und um an der GASP mitzuwirken. Der freiheitliche Plan zur Neutralität stehe hingegen für Isolation, Ablehnung der Europäischen Union und der internationalen Zusammenarbeit. Ausgenommen davon sei nur die Partei von Putin, zumal es den mit ihr abgeschlossenen Freundschaftsvertrag noch immer gebe, zeigte Ofenauer auf. Zudem bestünden fragwürdige Kontakte mit „patriotischen Parteien“, die möglicherweise einzelne Länder aus der EU herauslösen wollten. Die FPÖ negiere auch ständig die Tatsache, dass die österreichische Neutralität eine militärische sei und keine politische. Was die sogenannte irische Klausel angehe, so könnten natürlich im Einzelfall die Maßnahmen an die Neutralität angepasst werden.
Um in diesen Fragen mehr Klarheit zu schaffen, haben die Regierungsfraktionen in einem Ministerratsvortrag die gemeinsamen Grundsätze in den Bereichen Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitik festgelegt, erläuterte er. Neben dem Bekenntnis zur Neutralität enthalte er auch die Beschreibung der Möglichkeiten der Teilnahme an internationaler Konfliktprävention wie etwa im Rahme der UNO und der OSZE. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen sei aber auch klar geworden, dass Europa seine Sicherheit mehr denn je selbst in die Hand nehmen und Abhängigkeiten reduzieren müsse.
SPÖ ÜBT KRITIK AM NEUTRALITÄTSBEGRIFF DER FREIHEITLICHEN
Der Titel des freiheitlichen Antrags klinge zwar gut, „verenge die Neutralität aber auf Isolation und Abschottung“, urteilte Petra Oberrauner (SPÖ). Diese Initiative gefährde die Sicherheit, die sie angeblich schützen solle. Das sei ihrer Meinung nach weder verantwortungsvoll noch realistisch. Die Sicherheit und der Wohlstand Österreichs beruhe auf drei Säulen, nämlich der aktiven und wehrhaften Neutralität, auf der EU als Friedensunion sowie auf einer Weltordnung, in der das Völkerrecht gelte und nicht das Recht des Stärkeren. Die SPÖ habe unter der Neutralität immer die militärische Neutralität verstanden, unterstrich Oberrauner. Sie bedeute daher nicht, passiv zu bleiben oder wegzuschauen. Deshalb seien alle Ansätze abzulehnen, die Österreich isolieren, wirtschaftlich schwächen oder die Zusammenarbeit mit den Partnern einzuschränken.
NEOS spricht von „orientierungsloser“ Opposition
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