Gratis-Kinderimpfprogramm besser nützen

Gratis-Kinderimpfprogramm besser nützen

Wien (OTS) – Das Gratis-Kinderimpfprogramm beschützt seit über 20 Jahren die Kleinsten in der Gesellschaft, aber indirekt auch viele Erwachsene vor impfpräventablen Erkrankungen. Die allermeisten Eltern nützen es und lassen ihre Kinder impfen. Manchmal allerdings zu spät und nicht ausreichend konsequent. Daher sind beispielsweise die Masern immer noch ein Thema, obwohl sie eigentlich schon längst ausgerottet sein sollten. Auch die WHO-Ziele bezüglich Gebärmutterhalskrebs wird Österreich unter anderem aufgrund zu niedriger Durchimpfungsraten bei der HPV-Impfung nicht wie geplant erreichen. Erweitert wird der Schutz hingegen bei den Pneumokokken. Der seit 1. Februar verwendete Impfstoff deckt ein breiteres Erregerspektrum als bisher ab. Er muss nun nur noch ausreichend angenommen und verimpft werden.

Impfen schützt

Das Gratis-Kinderimpfkonzept ermöglicht allen in Österreich lebenden Kindern bis zum 15. Lebensjahr Zugang zu wichtigen Impfungen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Erziehungsberechtigten. „Derzeit werden im Rahmen des Kinderimpfkonzepts acht verschiedene Impfungen gratis verabreicht, die Schutz gegen 13 Erregergruppen bieten“, berichtet Priv.-Doz. Mag. Dr. Maria Paulke-Korinek vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Leitung Abteilung für Impfwesen. Ein Teil dieser Impfungen findet im Säuglings-beziehungsweise Kleinkindalter statt, der andere bei Schulkindern. Und das mit Erfolg, wie am Beispiel der Impfung gegen Rotavirus-Gastroenteritis eindrucksvoll zu erkennen ist: Vor der Einführung der Rotavirus-Impfung mussten jährlich 2.900 bis 4.400 Kinder auf Grund einer Rotavirus-Erkrankung ins Krankenhaus eingewiesen werden. Nach der Einführung der Impfung kam es zu einer Senkung dieser Hospitalisierungsrate um 90 %.

Fehlende Konsequenz

„Aus den Berechnungen der Durchimpfungsraten für Masern-Mumps-Röteln und Polio ist bekannt, dass Kinder in Österreich zu spät und nicht ausreichend konsequent mit der notwendigen Anzahl an Dosen geimpft werden“, erläutert Paulke-Korinek. Eltern hätten oft Sorge, dass ihre Kinder zu den empfohlenen Impfzeiten noch zu jung seien. Das Gegenteil sei jedoch der Fall, so die Expertin.

Gewisse Impfungen würden deshalb im Säuglings- beziehungsweise Kindesalter empfohlen, weil durch Impfungen vermeidbare Krankheiten gerade bei Babys und Kleinkindern häufiger vorkämen und speziell in dieser Altersgruppe zu schwerwiegenden Verläufen führen könnten. Paulke-Korinek: „Es ist daher außerordentlich wichtig, mit den notwendigen Impfungen rechtzeitig zu beginnen und diese zeitgerecht abzuschließen, damit die Kinder möglichst früh gegen die entsprechenden Erkrankungen geschützt sind.“

Masern

Was passiert, wenn nicht oder nicht rechtzeitig geimpft wird, sieht man unter anderem an den Masern. 2019 wurden in Österreich 151 Masernfälle registriert, ein Anstieg um fast das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr. Fünfzehn Fälle wurden im Krankenhaus erworben. Für Priv. Doz. Dr. med Daniela Schmid, MSc, Leiterin der Abteilung für Infektionsepidemiologie & Surveillance des Bereichs Public Health an der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit besonders erschreckend: „2019 traten 22 Fälle bei Kindern in der Altersgruppe von 1 bis 4 Jahre und sechs Fälle bei den unter 1-Jährigen auf. Und das, obwohl die Masernimpfung Teil des kostenlosen Kinderimpfprogrammes ist.“

„Bereits eine kurze Exposition führt zur Infektion, bei nahezu 100 Prozent kommt es zu klinischen Krankheitserscheinungen“, erklärt Prim. MedR. Ass.-Prof. DDr. Peter Voitl, MBA, Leiter der Kinderintensivstation im SMZ-Ost mit dem Spezialbereich Kinderkardiologie und Gründer des ersten Wiener Kindergesundheitszentrum Donaustadt. „Masern sind keine harmlose Erkrankung, sie bringen neben den Hauterscheinungen oft hohes Fieber und ein massives Krankheitsgefühl mit sich. Etwa 20 % aller Erkrankten müssen mit Folgeerscheinungen bis hin zur Masernenzephalitis rechnen.“ „Eine Infektion mit dem Masern-Virus führt außerdem zu einem langfristigen Schaden des Immunsystems“, ergänzt Schmid. „Es wird angenommen, dass in der Prä-Masernvakzin-Ära mindestens die Hälfte der Kindersterblichkeit an Infektionskrankheiten Masern-assoziiert war.“ Voitl: „Wichtig ist, dass alle Kinder ab dem 9. Lebensmonat zwei Dosen des Kombinationsimpfstoffes Masern-Mumps-Röteln erhalten. Aber auch Erwachsene, die nicht und nicht vollständig geimpft sind, sollten sich ebenfalls jetzt nachimpfen lassen. Die Impfung ist an allen öffentlichen Impfstellen gratis erhältlich.“

Pneumokokken-Impfung schützt Kinder und Erwachsene

„Auch bei den Pneumokokken kommt es immer wieder vor, dass Eltern ihre Kinder nicht vollständig impfen lassen“, berichtet Dr. Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer. Wichtig sei, dass der Impfzyklus (3 Teilimpfungen) wirklich eingehalten werde. „Bei nicht geimpften Kindern sehen wir Kinderärzte außer den gefährlichen invasiven Pneumokokken-Erkrankungen (IPE) häufig Fälle von immer wiederkehrenden Mittelohrentzündungen, die nicht nur äußerst schmerzhaft sind, sondern auch zu einer Flüssigkeitsbildung im Ohr und langfristig zu Höreinschränkungen führen können. Sehr viele davon kann man durch eine Pneumokokken-Impfung vermeiden.“

Wie gut die Impfung gerade bei den Kindern unter fünf Jahren wirkt, kann mittlerweile auch für Österreich in einer kürzlich publizierten Studie eindrucksvoll nachgewiesen werden: „73 % der erwarteten invasiven Pneumokokken-Erkrankungen, ausgelöst durch die im Impfstoff enthaltenen Serotypen, konnte durch die damals im Kinderimpfkonzept verwendete Impfung verhindert werden“, berichtet Infektionsepidemiologin und Fachärztin für Mikrobiologie und Hygiene Schmid, die eine Ko-Autorin dieser Studie ist. „Außerdem zeigte sich ein positiver indirekter Effekt des Pneumokokken-Kinderimpfprogrammes bei älteren Personen. So konnten von den erwarteten Fällen von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen, verursacht durch die im Impfstoff enthaltenen Serotypen, 79% bei den über 60-Jährigen verhindert werden.“ In Österreich wird schlussendlich auf Basis der Ergebnisse der epidemiologischen Studie über die Effektivität des im Gratis-Kinderimpfkonzept ursprünglich angebotenen Pneumokokken-Impfstoffes seit 1. Februar ein neuer Impfstoff im Gratis-Kinderimpfkonzept empfohlen, der ein größeres Spektrum an Pneumokokken-Serotypen abdeckt. Wichtig ist, dass Eltern dieses neue Angebot nun auch vermehrt annehmen und ihre Kinder laut den Impfempfehlungen impfen lassen.

HPV-Durchimpfungsraten viel zu niedrig

Eine in Österreich besonders schlecht angenommene Impfung ist jene gegen das Humane Papilloma-Virus (HPV). „Wir schätzen, dass derzeit nur etwa jedes zweite Kind im entsprechenden Alter gegen HPV geimpft wird“, erklärt Paulke-Korinek. Auch bei dieser Impfung spielt der Impfzeitpunkt eine wichtige Rolle. „Idealerweise findet sie bereits im Alter von 9 Jahren statt, so wie es im Kinderimpfprogramm vorgesehen ist“, erklärt Univ. Prof. Dr. Elmar Joura von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien und begründet auch, warum: „Bei einer frühen Impfung werden höhere Antikörperspiegel erreicht als später im Leben. Daher reichen bis zum 15. Lebensjahr zwei Teilimpfungen aus, später benötigt man drei. Außerdem kommt man mit der frühen Impfung einer ersten Infektion im Regelfall zuvor.“

WHO-Zielerreichung bei HPV in weiter Ferne

Die WHO hat das Ziel ausgerufen, den Gebärmutterhalskrebs zu eliminieren. Dafür sollen bis 2030 unter anderem 90 % aller Mädchen bis 15 Jahre gegen HPV geimpft sein und die altersadaptierte Inzidenzrate (Häufigkeit der Neuerkrankungen) auf unter 4 pro 100.000 Frauenjahre gedrückt werden sowie 70 Prozent aller Frauen zwischen 35 und 45 zumindest einmal auf HPV getestet werden.[1] „Österreich liegt derzeit bei etwa acht Erkrankungsfällen pro 100.000 Frauenjahre – also dem Doppelten des WHO-Zieles – und wird die Elimination ohne Verbesserung der Durchimpfungsrate und routinemäßigen Einsatz des HPV-Tests bei Frauen ab 30 voraussichtlich noch viele Jahre nicht erreichen“, befürchtet Joura.

Die Empfehlung im Kinderimpfprogramm seien gut, nur die Umsetzung nicht, so der Gynäkologe. „Österreich hat zwar ein sehr gutes Schulimpfprogramm und als erstes Land weltweit empfohlen, auch Buben zu impfen, dennoch ist die Umsetzung je nach Schule sehr variabel. Ein Lösungsansatz wäre die Opt-out-Variante, wie es sie zum Beispiel in England gibt“, so Joura. Eltern müssten sich dann schriftlich gegen die Impfung entscheiden, ansonsten würde das Kind geimpft.

Kinderimpfkonzept nützen

„Das Gratis-Kinderimpfkonzept in Österreich ist eines der besten der Welt“, betont Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller. „Es funktioniert aber nur dann, wenn es auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Sowohl für das einzelne Kind als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Mein Appell an alle Eltern lautet daher: Lassen Sie Ihr Kind rechtzeitig und vollständig impfen und kontrollieren sie ihren eigenen Impfstatus gleich mit!“

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[1]
[https://www.ots.at/redirect/cancer-elimination-draft-strategy]
(https://www.ots.at/redirect/cancer-elimination-draft-strategy),
zuletzt abgerufen am 2.2.2020

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