WESTFALEN-BLATT (Bielefeld): Kommentar zum Corona-Gipfel

WESTFALEN-BLATT (Bielefeld): Kommentar zum Corona-Gipfel

Bielefeld (ots) – Die ganz großen Beschlüsse sind bei diesem Corona-Gipfel wie erwartet ausgeblieben. Neueste Daten liefern den Vorsichtigen wie den Forschen derweil neue Argumente. Hier die Studie des Virologen Christian Drosten, wonach Kinder die gleiche Virenlast tragen wie Erwachsene – was Schul- und Kitaöffnungen riskanter machen könnte. Dort die desaströsen Zahlen vom Arbeitsmarkt: mehr als 10 Millionen Kurzarbeiter und ein Anstieg der Arbeitslosenquote um 0,7 Prozentpunkte zeigen, wie ernst die Lage ist.

Zweite Infektionswelle oder Kollaps der Wirtschaft – welches Risiko ist größer? Die eine richtige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Doch wir können nicht auf Dauer im Stillstand verharren, ohne dass Not und Elend erheblich anschwellen. Der Druck also wächst, Konzepte zu entwickeln, die über längere, ja lange Zeit ein Leben mit dem Virus erträglich machen.

Die Bundeskanzlerin sollte sich zur entschlossenen Antreiberin dieses Prozesses machen. Bekanntlich hält Angela Merkel nicht viel davon, zu schnell ein zu hohes Risiko einzugehen. Umso mehr steht sie allerdings in der Pflicht, die Einschränkungen der Freiheitsrechte und des gesellschaftlichen Zusammenlebens immer wieder zu hinterfragen. Zugleich hat das Ringen um den besten Weg aus der Krise mehr Transparenz verdient.

Die Deutschen haben in den vergangenen sechs Wochen bewiesen, dass sie mit der schwierigen Lage umgehen können. Auch die Akzeptanz gegenüber den strengen Regeln ist weiter hoch. Das ist ein Schatz, den es zu pflegen gilt. Dazu sind Offenheit und Klarheit unabdingbar. Und im Diskurs muss größere Schärfe ertragen werden, weil auch die Folgeschäden des Shutdowns mit jedem Tag größer werden.

Der Streit um Wolfgang Schäubles Äußerungen zeigt, dass uns das einiges abverlangt. Zu Recht hatte der 77-jährige Bundestagspräsident angemerkt, dass das Grundrecht auf Leben – im Gegensatz zur Menschenwürde – kein absoluter Wert sei, sondern durch andere Grundrechte eingeschränkt werden könne. Das hatte zum Teil heftige Empörung ausgelöst. Doch Empörung allein hilft ebenso wenig weiter wie eine Verharmlosung der Situation mit dem Hinweis darauf, dass momentan ja gar nicht alle Intensivbetten belegt sind. Sollte das denn ein Ziel sein?

Es bleibt wahr: Corona kehrt unser Innerstes nach außen. Und mitunter erschreckt man, was dabei alles zum Vorschein kommt.

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Westfalen-Blatt
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