Präzisionsarbeit: Wien Kanal bohrt Tunnel unter drei Brücken und zwei Hochspannungsleitungen

Präzisionsarbeit: Wien Kanal bohrt Tunnel unter drei Brücken und zwei Hochspannungsleitungen
Modernste Tunnelbauweise unter dem Liesingbach: Wien Kanal setzt auf „Microtunneling“ für neuen Regenwasserkanal – besondere Herausforderungen inklusive.
Als Voraussetzung für die Renaturierung des Liesingbaches errichten die Abwasserprofis derzeit einen neuen Regenwasserkanal unter dem Liesingbach. Sie arbeiten aktuell an einem speziellen Abschnitt dieses Projekts an der Südeinfahrt Wiens. Dort, wo die Liesing den Autobahnknoten Inzersdorf quert, fließt der Bach auf einer Strecke von 100 Metern unter den Brücken der achtspurigen Triester Straße (B17), die in die A2 mündet. Zudem wird eine Brücke für die beiden Gleise der Badner Bahn und mit dem Hermannsteg eine Fußgängerbrücke unterquert. Besondere Aufmerksamkeit gilt zwei Hochspannungsleitungen, die in einem Abstand von nur 25 Zentimetern gequert werden müssen. Deshalb wird in diesem Bereich nicht offen gegraben, sondern mit einer Spezialmaschine gebohrt.
Der Regenwasserkanal ist Teil des neun Kilometer langen Renaturierungs- und Hochwasserschutzprojektes am Liesingbach, einem Gemeinschaftsprojekt von MA45-Wiener Gewässer und Wien Kanal mit Förderung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft.
Mit einen Durchmesser von 800 Millimeter schützt der Kanal unter dem Bach vor Verunreinigungen aus dem Regenwassersystem im 23. Bezirk. Der aktuelle 100 Meter lange Abschnitt wird dabei als Doppelrohr ausgeführt. Mittels modernster Tunnelbohrtechnik wird ein Bohrloch und Stahlbeton-Schutzrohr mit 1.500 Millimeter Außendurchmesser (1.200 Millimeter Innendurchmesser) unter den Brücken vorgetrieben. In dieses Rohr wird später das 800 Millimeter (Innendurchmesser) Abwasserrohr aus glasfaserverstärkten Kunststoff eingezogen. Die Abwasserprofis rechnen je nach Beschaffenheit des Erdreichs täglich 15 bis 20 Meter im Untergrund zu schaffen.
Bezirksvorsteher Gerald Bischof: _„Die Kanalprofis leisten hier Großartiges! Der Kanal ist die Grundlage für das Projekt, da er für einen sauberen Bach sorgt. Die Renaturierung anschließend bringt einen hochwertigen Lebensraum für Flora und Fauna und damit einen attraktiven Naherholungsraum für uns alle!“_
PRÄZISE BOHRUNG FÜR EXAKTE TRASSENFÜHRUNG
Die eingesetzte Maschine ist eine geschlossene Vollschnittmaschine mit hydraulischem Förderkreislauf. Der anstehende Boden wird mit einem auf die Geologie angepassten Bohrkopf abgetragen, zerkleinert und mit Bentonit, einer Mischung aus verschiedenen Tonmineralien verflüssigt. Diese Suspension wird über Druckschläuche an die Oberfläche gefördert und dort über Siebe und Zyklone in Flüssig- und Feststoffe getrennt. Die Bohrflüssigkeit wird wieder in den Abbaukreislauf eingebracht und zum Bohrkopf zurückgepumpt. Der in sich geschlossene Kreislauf sorgt für eine Minimierung zusätzlicher Entsorgungswege. Übrig bleibt das abgebaute Erdmaterial aus dem Tunnel. Die Suspension übernimmt aber nicht nur die Transport- und Schmierfunktion, sondern mit einem Druckluftpolster auch die Stützfunktion an der Ortsbrust, der vordersten Abbaustelle im Tunnel. Gleichzeitig mit dem Abbau des Erdmaterials werden mit vier Pressen und einem Druck von 500 bar die jeweilsdrei Meter langen und 4,6 Tonnen schweren Kanalrohre aus Stahlbeton in den Untergrund geschoben. In Summe müssen bis zur Fertigstellung des Tunnels 33 dieser Rohre mit einem Gesamtgewicht von 152 Tonnen verbaut werden.
“Technik-Fans dürfen dabei ins Schwärmen kommen”, zeigt sich Wien Kanal Bauleiterin Marlies Greußing begeistert. _“Der eingesetzte 3,75 Meter lange und 13 Tonnen schwere Bohrkopf zermalmt mit sechs Umdrehungen pro Minute (U/min) und 258 Kilonewtonmeter (kNm) Drehmoment das Erdreich am Bohrkopf. Das entspricht der Kraft von ca. 5.000 handelsüblichen Bohrmaschinen.”_
NAVIGATIONSTECHNIK WIE BEI FLUGZEUGEN, RAKETEN UND SATELLITEN
Die Rohrvortriebsstrecke startet als Gerade mit einer Länge von 10 Metern gefolgt von einer 90 Meter langen Rechtskurve mit einem Radius von 500 Meter. Die gesamte Strecke hat dabei eine Steigung von 2,8 Promille (2,8 mm pro m). Aufgrund der Krümmung der Trasse ist kein direkter Sichtkontakt von der Startgrube zur Vortriebsmaschine möglich.
Um bei dieser dreidimensionalen Kurvenfahrt die Brückenfundamente und Hochspannungsleitungen nicht zu beschädigen, und das Ziel in 100 Meter Entfernung exakt zu erreichen, liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Vermessungssystem. Eine elektronische Schlauchwaage und ein Kreiselkompass (Gyroskop) ermöglichen die genaue Ausrichtung des Bohrkopfes. Die Schlauchwaage misst den Flüssigkeitsspiegel an zwei Stellen über Drucksensoren, die untereinander mit einem Schlauch verbunden sind. Sie bestimmt die vertikale Lage der Maschine. Der Kreiselkompass (Nordsucher) kann die horizontale Lage kontinuierlich ohne Messpausen während des Vortriebs bestimmen. _“Mit solchen Sensoren kann auch die Dreh- und Neigebewegung eines Flugkörpers bestimmt werden, selbst wenn das GPS ausfällt”_, erklärt Greussing die Präzision der Vermessung. Beide Werte werden in Abhängigkeit zur geplanten Vortriebsachse berechnet und daraus stetig die exakte Position der Vortriebsmaschine bestimmt.
GROSSPROJEKT BIS 2027: RENATURIERUNG LIESINGBACH UND NEUER KANAL
Mit insgesamt 30 Kilometer ist der Liesingbach der längste Wienerwaldbach. Bis 2027 wird das Gewässer von der Fachabteilung Wiener Gewässer im Rahmen des Großprojekts „Integrativer Hochwasserschutz Liesingbach“ auf einer Länge von 9,2 Kilometer naturnahe rückgebaut. Im Zuge dessen werden von Wien Kanal rund 9 Kilometer Kanal errichtet, 5,5 Kilometer davon werden im Bachbett verlegt. Für den Betrieb und die Wartung werden entlang der Strecke 16 Trennbauwerke, 7 Abfallschächte und 29 Putzschächte errichtet.
Die Regenwasserkanäle, die bisher in die Liesing mündeten, werden an den neuen Kanal angeschlossen. Bei Regen kann so der erste Schwall mit verunreinigtem Regenwasser von den umliegenden Verkehrsflächen im neuen Kanal abgefangen und zur Reinigung in die Kläranlage nach Simmering geleitet werden. Auch Störfälle, wo gefährliche Stoffe über die Regenwasserkanalisation in den Bach gelangen könnten, sichert der neue Kanal zukünftig ab. Das verbessert die Wasserqualität.
Besonders umweltschonend: Die alten Pflastersteine werden vor Ort zerkleinert und in die Sohle des Liesingbaches eingebracht. Dieses Recycling ersetzt den aufwendigen Abtransport der Steine und die damit verbundenen Lkw-Fahrten.
INVESTITION IN DEN HOCHWASSER-, GEWÄSSER- UND KLIMASCHUTZ
Die Gesamtkosten des Großprojekts inklusive Baus des Speicherbeckens Gelbe Haide belaufen sich auf circa 83 Millionen. Der Anteil der Stadt Wien für das Gesamtprojekt beträgt circa 65 Millionen Euro. Das gesamte Projekt wird durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft mit rund 18 Mio. Euro gefördert.
INFOCENTER B.A.C.H.L IN DER GUTHEIL-SCHODER-GASSE
Das Infocenter B.A.C.H.L zeigt interessante Details zum Großprojekt. Die Mitarbeiter*innen der Abteilung Wiener Gewässer und Wien Kanal halten Sie jeden ersten Freitag im Monat von 14 bis 18 Uhr über den Fortschritt der Renaturierungsarbeiten am Laufenden. Das Infocenter befindet sich im 23. Bezirk in der Gutheil-Schoder-Gasse 19, Eingang neben dem Uferbegleitweg direkt beim Rückhaltebecken Inzersdorf 1 (Neu Steinhof). Erreichbar mit Bus 65A, 66A, 67B (Haltestelle Schwarzenhaidestraße). Rund 10 bis 15 Minuten Fußweg von U6 Alterlaa oder Lokalbahn Haltestelle Inzersdorf.
ÜBER WIEN KANAL
Mit einer Leitungslänge von mehr als 2.500 Kilometer ist Wien Kanal Österreichs größter Kanalnetzbetreiber. Täglich wird etwa eine halbe Milliarde Liter Abwasser von 2 Millionen Menschen und 180.000 Gebäuden sicher und umweltgerecht zur Kläranlage in Simmering transportiert. Rund 450 Mitarbeitende halten das Kanalnetz funktionsfähig und sauber. So wurden im vergangenen Jahr täglich 15 Tonnen abgelagertes Material aus den Kanälen geräumt um den Abfluss zur Kläranlage zu garantieren. 99,8 Prozent aller Haushalte in Wien sind an das städtische Kanalnetz angeschlossen. Trotzdem ist das Wiener Kanalnetz 2023 um 2 Kilometer gewachsen und über 1.600 Kanalbaustellen wurden zur Erhaltung und Reparatur des öffentlichen Kanalnetzes durchgeführt. Dabei sind 900 Kanaldeckel ausgetauscht und 8 Kilometer Kanäle saniert oder umgebaut worden. Ein Großteil davon unterirdisch, also nahezu aufgrabungsfrei. Unterirdisch sind auch die Roboter von Wien Kanal unterwegs. Alleine im vergangenen Jahr haben sie 250 Kilometer im Abwasserlabyrinth zurückgelegt und die Rohre auf Beschädigungen untersucht.
Pressebilder zu dieser Aussendung sind in Kürze unter www.wien.gv.at/pressebilder abrufbar. (Schluss)
Josef Gottschall
Stadt Wien – Wien Kanal
Telefon: +43 1 4000 30021
Mobil: +43 676 8118 30021
E-Mail: josef.gottschall@wien.gv.at
Lisbeth Kovacs
Stadt Wien – Wiener Gewässer
Telefon: +43 1 4000 96598
Mobil: +43 676 8118 96598
E-Mail: lisbeth.kovacs@wien.gv.at
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